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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2015 — 2016

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A. Das akademische Jahr 2015
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III. Veranstaltungen
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Grätz, Katharina: Nietzsche zwischen Philosophie und Literatur: von der Fröhlichen Wissenschaft zu Also sprach Zarathustra
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https://doi.org/10.11588/diglit.55653#0121
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Tagung „Nietzsche zwischen Philosophie und Literatur'

dieses Abschnitts zum Ausdruck komme, die den ästhetischen Schein der Kunst
als notwendiges Gegengewicht einer auf Desillusionierung ausgerichteten
wissenschaftlichen Erkenntnisleidenschaft begreift.
Der Vortrag über Nietzsches Kunst der Wissenschaft von Volker Gerhardt (Ber-
lin) vertiefte die Frage nach dem Zusammenhang von Kunst und Wahrheit aus ei-
ner systematisch-philosophischen Perspektive, die sich vor allem auf das Problem
der zwischenmenschlichen Verständigung über die Welt konzentrierte. Hierfür
wählte Gerhardt einen Zugang, der an bewusstseinstheoretische Überlegungen
zur Mitteilungs-Fähigkeit und Mitteilungs-Bedürftigkeit des Menschen im Ab-
schnitt 354 aus dem Fünften Buch der Fröhlichen Wissenschaft anknüpfte.
Sebastian Kaufmann (Freiburg) griff in seinem Vortrag über die Vorrede zur
neuen Ausgabe der Fröhlichen Wissenschaft von 1887 ebenfalls die Frage nach dem
Verhältnis von Philosophie und Kunst, Wahrheit und Schein bei Nietzsche auf
und zeigte, dass die Vorrede der philosophischen Idealvorstellung von der pack-
ten Wahrheit4 eine Absage zugunsten des ,verschleiernden4 ästhetischen Scheins
erteilt. Dies geschieht laut Kaufmann in einer Darstellungsweise, die ihrerseits als
autofiktional und damit als literarisch zu qualifizieren ist.
Unter der Titelfrage Was ist der Zweck der Tragödie? interpretierte Christian
Benne (Kopenhagen) Abschnitt 1 aus dem Ersten Buch der Fröhlichen Wissenschaft.
Von einem im Text markierten Zitat aus Aischylos’ Tragödie Der gefesselte Prometheus
ausgehend, las Benne den ersten ,Aphorismus4 als tragödientheoretische Reflexion
und stellte ihn in den Kontext von Nietzsches früheren Überlegungen zur Theo-
rie der Tragödie.
Thomas Forrer (Euzern) widmete sich der Rhetorik der „Zukunft“ in der Fröhli-
chen Wissenschaft und wies im exemplarischen Ausgang von Abschnitt 79 des Zwei-
ten Buchs, der vom eigentümlichen, rezeptionsästhetischen Reiz dichterischer
Unvollkommenheiten handelt, das Zukunfts-Thema als ein zentrales Eeitmotiv
aus, das die gesamte Schrift durchzieht - bis hin zur nachträglich verfassten Vor-
rede von 1887.
Das ebenfalls der zweiten Ausgabe der Fröhlichen Wissenschaft von 1887 hin-
zugefügte Fünfte Buch rückte Andreas Urs Sommer (Freiburg) unter dem Ge-
sichtspunkt der philosophisch-literarischen Wechselwirtschaft in den Mittelpunkt, um zu
zeigen, wie dieser neue, gewichtige Werkteil in seiner inhaltlichen und formalen
Textkomposition mit weiteren Schriften aus Nietzsches später Schaffensphase ver-
flochten ist.
Den letzten Vortrag innerhalb der Sektion zur Fröhlichen Wissenschaft hielt Hel-
mut Heit (Berlin), der der Frage nachging, ob es sich bei der prominenten Rede
vom Tod Gottes um Literatur oder Lehre handle. Anhand mehrerer Passagen aus der
Fröhlichen Wissenschaft, darunter der berühmte Abschnitt „Der tolle Mensch“ aus
dem Dritten Buch, erörterte Heit, inwiefern man zwischen poetischer Figurenre-
de und philosophischer Aussage mit Wahrheitsanspruch unterscheiden müsse.

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