C. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
Diese hier nur knapp skizzierten Beispiele zeigen bereits die Breite der Kontex-
te und Funktionen, in denen quantifizierende Angaben zur Beschreibung der Welt
genutzt wurden. Thesenhaft lassen sich dafür drei Erklärungsansätze unterscheiden:
Erstens dürfte die präzise Bezifferung von Abmessungen oder Schritten als Beleg
für die Authentizität der Beschreibung gedient haben; wie sonst könnte man die
Größe des Grabs Christi so genau beziffern, ohne selbst Fland (bzw. Arm) ange-
legt zu haben? Zweitens könnte man eine derartige Vermessung heiliger Stätten als
(nach-mystischen) Annäherungsversuch an Relikte göttlichen Wirkens auf Erden
verstehen, und damit an das Heilige schlechthin. Innere Verzückung schien spätmit-
telalterlichen Pilgern jedenfalls keine adäquate Herangehensweise an die Vertiefung
zu sein, in der das Kreuz Jesu gestanden haben soll - zumindest in ihren verschrift-
lichten Berichten nicht. Damit kommt drittens die Vermessung und Quantifizie-
rung als Strategie der Realitätserfassung in den Blick. Numerische Angaben spiegeln
den Wunsch wider, die Dimensionen von Wegen, Städten, Objekten oder aber (im
Falle Odorichs) das Ausmaß der Götzenverehrung möglichst präzise und objektiv
zu erfassen. Diese Erklärungsansätze gilt es in der weiteren Projektarbeit an einem
größeren Quellenkorpus kritisch zu hinterfragen, ohne dabei das Spannungsver-
hältnis zwischen vermeintlicher Präzision und übergeordneter Symbolik aus dem
Blick zu verlieren, in dem derartige Zahlenangaben stehen können.
12. Wissen(schaft), Zahl und Macht. Zeitgenössische Politik
zwischen Rationalisierung und Zahlenhörigkeit
Kollegiat: Dr. Markus J. Prutsch1
Mitarbeiter: Lars Lehmann
In Zusammenarbeit mit Dr. Georg von Graevenitz, Dr. Kathrine von Graevenitz,
Dr. Kelly L. Grotke, Dr. Stephen W Hastings-King
1 Europäisches Parlament, Brüssel/Universität Heidelberg
In den vergangenen Jahrzehnten lässt sich eine fortschreitende „Verwissenschaft-
lichung“ des Politikbetriebs vor allem in demokratischen Ordnungen feststellen.
Aufgrund der wachsenden Komplexität und Diversifizierung moderner Politik
greifen Entscheidungsträger in zunehmendem Maße auf zahlenbasierte Experti-
se zurück und ergänzen die sonst für den politischen Prozess charakteristischen
Werteabwägungen mit einer rationalen Komponente. Das interdisziplinäre For-
schungsprojekt Wissen (schäft), Zahl und Macht untersucht den Stand dieser „Verwis-
senschaftlichung“ der Politik im Allgemeinen und analysiert die Rolle von Quanti-
fizierungen in politischen Entscheidungsprozessen im Besonderen. Sein Ziel ist
294
Diese hier nur knapp skizzierten Beispiele zeigen bereits die Breite der Kontex-
te und Funktionen, in denen quantifizierende Angaben zur Beschreibung der Welt
genutzt wurden. Thesenhaft lassen sich dafür drei Erklärungsansätze unterscheiden:
Erstens dürfte die präzise Bezifferung von Abmessungen oder Schritten als Beleg
für die Authentizität der Beschreibung gedient haben; wie sonst könnte man die
Größe des Grabs Christi so genau beziffern, ohne selbst Fland (bzw. Arm) ange-
legt zu haben? Zweitens könnte man eine derartige Vermessung heiliger Stätten als
(nach-mystischen) Annäherungsversuch an Relikte göttlichen Wirkens auf Erden
verstehen, und damit an das Heilige schlechthin. Innere Verzückung schien spätmit-
telalterlichen Pilgern jedenfalls keine adäquate Herangehensweise an die Vertiefung
zu sein, in der das Kreuz Jesu gestanden haben soll - zumindest in ihren verschrift-
lichten Berichten nicht. Damit kommt drittens die Vermessung und Quantifizie-
rung als Strategie der Realitätserfassung in den Blick. Numerische Angaben spiegeln
den Wunsch wider, die Dimensionen von Wegen, Städten, Objekten oder aber (im
Falle Odorichs) das Ausmaß der Götzenverehrung möglichst präzise und objektiv
zu erfassen. Diese Erklärungsansätze gilt es in der weiteren Projektarbeit an einem
größeren Quellenkorpus kritisch zu hinterfragen, ohne dabei das Spannungsver-
hältnis zwischen vermeintlicher Präzision und übergeordneter Symbolik aus dem
Blick zu verlieren, in dem derartige Zahlenangaben stehen können.
12. Wissen(schaft), Zahl und Macht. Zeitgenössische Politik
zwischen Rationalisierung und Zahlenhörigkeit
Kollegiat: Dr. Markus J. Prutsch1
Mitarbeiter: Lars Lehmann
In Zusammenarbeit mit Dr. Georg von Graevenitz, Dr. Kathrine von Graevenitz,
Dr. Kelly L. Grotke, Dr. Stephen W Hastings-King
1 Europäisches Parlament, Brüssel/Universität Heidelberg
In den vergangenen Jahrzehnten lässt sich eine fortschreitende „Verwissenschaft-
lichung“ des Politikbetriebs vor allem in demokratischen Ordnungen feststellen.
Aufgrund der wachsenden Komplexität und Diversifizierung moderner Politik
greifen Entscheidungsträger in zunehmendem Maße auf zahlenbasierte Experti-
se zurück und ergänzen die sonst für den politischen Prozess charakteristischen
Werteabwägungen mit einer rationalen Komponente. Das interdisziplinäre For-
schungsprojekt Wissen (schäft), Zahl und Macht untersucht den Stand dieser „Verwis-
senschaftlichung“ der Politik im Allgemeinen und analysiert die Rolle von Quanti-
fizierungen in politischen Entscheidungsprozessen im Besonderen. Sein Ziel ist
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