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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2015 — 2016

DOI Kapitel:
D. Antrittsreden, Nachrufe, Organe und Mitglieder
DOI Kapitel:
I. Antrittsreden
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Rietschel, Marcella: Marcella Rietschel: Antrittsrede vom 18. Juli 2015
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https://doi.org/10.11588/diglit.55653#0319
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D. Antrittsreden, Nachrufe, Organe, Mitglieder

Marcella Rietschel
Antrittsrede vom 18. Juli 2015

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr ge-
ehrte Damen und Herren,
es ist mir eine große Freude, dass Sie
mich als Mitglied in Ihre Akademie
aufgenommen haben und ich mich
heute hier vorstellen darf.
Ich bin 1957 in Stuttgart als älteste
von zwei Töchtern geboren, besuchte
dort die Schule und machte das Abitur


am Königin-Katharina-Stift, welches
zu dieser Zeit noch eine reine Mädchenschule war.
Meine Mutter stammte aus einem kleinen, fünf Bauernhöfe umfassenden
Weiler im Schwarzwald, wo wir Schwestern beinahe sämtliche Ferien verbrachten
und auch in der Landwirtschaft halfen. Die Erfahrungen haben mich sehr geprägt.
So freue ich mich z. B. auch heute noch darüber, wie wenige Stunden ich geistig
arbeiten muss, um mir die köstlichsten Lebensmittel leisten zu können.
Mein Vater, Richter am Obcrlandesgericht in Stuttgart, war ein sehr lebens-
froher und feinsinniger Mensch, mit dem ich musiziert und Nächte durch geredet
bzw. diskutiert habe. Er hat mir beigebracht, dass man sich nie und unter keinen
Umständen verbiegen lassen darf.
Der Umgang mit meiner zwei Jahre jüngeren Schwester hat mich zudem
schon früh gelehrt, dass Freundschaft und Zuneigung selbst die heftigsten Dis-
kussionen übersteht.
In dieser Umgebung hatte ich eine glückliche Kindheit und Jugend - die bes-
ten Voraussetzungen, um noch mehr vom Leben erfahren zu wollen. Und ich
wollte alles: Alles wissen und alles erleben!
Da mir recht schnell bewusst wurde, dass die Wahl einer Möglichkeit viele an-
dere ausschließt, entschied ich mich zunächst Psychologie zu studieren. So wollte
ich „zumindest“ verstehen lernen, wie Menschen denken, fühlen und handeln,
und ich wollte Menschen da helfen können, wo ich es schon immer zentral emp-
fand: bei seelischen Problemen. Was nutzt Gesundheit und Wohlstand, wenn man
es nicht wertschätzen kann?
Als ich allerdings erfuhr, dass Psychologen zur Behandlung ihrer Patienten auf
die Überweisung von Ärzten angewiesen waren , wechselte ich nach dem zweiten
Semester vom Studium der Psychologie und Philosophie in Konstanz zum Me-
dizinstudium nach Marburg, um Psychiaterin zu werden. Zudem erschien mir

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