Metadaten

Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 2): Schriften der Jahre 1524 - 1528 — Gütersloh, 1962

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.29139#0103
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
98

SCHRIFTEN DER JAHRE 1524-1528

sye ein falschen brieff hette ins Keyßers namen angenommen und dem-
selben nach etwas gehandlet, das dem Keyßer zuwider were. Nemmlich,
wo sye nitt hette allen fleissz gethon, das sigel besehen, das hantzeychen
und anders, dadurch sye hette mögen erkennen ob es des Keyßers brieff
were gewesen oder nitt. Ferner aber, wie so die statt durch besychtigung
sigels und handtzeychens nun erfunden hatt und gewissz ist, das der
brieff vom Keyßer ist ußgangen, ir gepürt demselbigen gehorsamlich
nachzukummen und ist nit über das Mandat, sonder under dem mandat,
das sye auch nit macht hat, weiter zu richten und ußzulegen, wie sye
will, sonder wie dort die wort lauten also soll sye thun.

Dermassen haltet es sich auch zwüschen der Kirchen, das ist allen und
yeden Christen, und der göttlichen schrifft und aller leer, so, als von Gott
Erkantnüß und urteyl der ußgangen, fürgeben würt. Zuerst mussz ye ein yeder erkennen, örtern 156
schrifft und urteylen, ob das Gottes wort sey, das ym würt fürgetragen. Dann
Christus, die Apostolen und alle schrifft uns vilfeltig warnet vor den
falschen predigern und ye kein wunder ist, wie Paulus sagt, das sich
die falschen Apostolen verwandelnj zu Apostolen Christi, so sich doch
Satanas selb verstellet zum engel des lyechts, ii. Cornth. xi. [14]. So mussz
der Treger selb bekennen, das sich vil an statt der Kirchen dargeben,
die des teüffels kirch 157 seind. Aber darumb ist die Kirch oder ein yeder
Christ nit über die schrifft, die das gewissz Gotts wort ist, als wenig die
statt über des Keyßers Mandat ist, das sye doch auch erkennt hat und
geurteylt für des Keyßers Mandat. Also die fyer Evangelia, geschycht
der Apostolen, Epistolen Pauli, die erst Petri und erst Johannis, seind
den Christen im anfang fürtragen worden. Welche sye haben auch durch
den geist in ynen wonend und ansehen des gesatz und propheten erfun-
den, das sye, dieselbigen schrifften, worlich das wort Gottes und uß
dem geist Gottes geschriben seind, und ist bitz uff den heütigen tag des
kein zweifel bey einchem Christen ye gewesen.

Von den übrigen büchern des newen Testaments hatt man zweifel
gehebt, ob sye von denen Apostolen, deren nammen sye haben, geschri-
H 2 a ben | seyen. Der ursach, das sye in etlichen puncten, den prophetischen
schrifften und Apostolischem geist, so in den vorgemelten iren schrifften

j) verwandern.

156. Nach allen Seiten hin genau untersuchen, erwägen, unterscheiden, erklären,
auch sich entscheiden, vgl. Grimm, s. v.

157. Dieser Begriff geht auf eine biblische Formulierung zurück (Apoc. 3,9) und
begegnet bei B. in der vorliegenden Schrift an verschiedenen Stellen z. B. S. 70, Z. 1;
S. 168, Z. 20, 23; S. 172, Z.16f. Vielleicht greift er damit nur eine Bemerkung Tregers
auf (Vemanung, F 4 a). Wie geläufig dieser Begriff war, mag übrigens daraus hervor-
gehen, daß Luther 1530 eine Thesenreihe unter dem Titel »Praepositiones adversus
totam synagogam Satanae et universas portas inferorum« erscheinen lassen konnte
(WA 30, II. Abt., S. 431 ff.).

5

10

15

20

25

30
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften