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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Editor]; Neuser, Wilhelm H. [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Strohm, Christoph [Editor]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 2): Schriften der Jahre 1524 - 1528 — Gütersloh, 1962

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https://doi.org/10.11588/diglit.29139#0107
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102

SCHRIFTEN DER JAHRE 1524-1528

glaubt und zu glauben fürgibt auch allein durch das, das sye es annimpt,
als wol, als das sye uns durch die göttlich schrifft leret glauben. Als ob
uns die wor recht christlich Kirch etwas als nötig zu glauben künde
fürgeben, es sey mit predig oder irem annemen, das nitt das lauter Gotts
wort und leere sey. Nun, so die schrifft uns zur seligkeit weiß machet, 5
wie nun offt anzogen und zu allen guten werck geschickt 167, so mag
sye uns kein Gotts wort noch lere fürtragen, die nitt in der geschrifft,
in der doch alles guts begriffen ist, überreyhlich verfasset sey.

Aber uß dißen seinen worten sycht man, das er nit von der christ-
lichen Kirchen redet, die dann der frembden stymm nit höret 168 und 10
darumb nichts zu glauben fürgibt, dann das in der göttlichen schrifft
ußgedruckt ist, sonder von denenn, die der frembden stymm nachlauffet
und wider Christum an menschen leren huret. Wie schwerlich haben die
alten das einig wörtlin »homousion« zugelassen, drumb es nit in der schrifft
stot. So doch sein bedeütung klarlich uß der schrifft erlernet würdt. 15
Also ists ein ungehörts gewesen bey den alten, etwas zu glauben für-
geben, das in der schrifft nitt ußgedruckt war. Und unsere Papisten
sagen nun offentlich, man häbe die Kirchen lange jar nun mit dem, das
nitt in der schrifft begriffen, geregiert. Sye sagten recht, wann sye
H 3 b spräch-|en, über die Kirch tyrannisiert. Also meynt nun unser Treger, 20
w as der getäufft hauff in irem Gotts dyenst und allem, das sye wöllen,
das es die seel belange, erdocht, gesetzet oder nur durch tolle vätter und
alt begynlin 169 lassen selb uffkummen, das müsse die Kirch alles thon
haben. O du arme Kirch, wie must du so grosser büberey deckel sein 170.

Ir, ir seinds, die die heylig sponß Christi schenden und schmähen, das 25
ir ir wölt zulegen etwas, das Gott nitt leret, das nitt gut, ja offt über alle
massz schädlich ist. Dann die schrifft, hör doch Treger, alle leer und wort
Gottes so uns zu gemeynem glauben nütz und not seind, überflüssig hat.
Mit einem wort sey geantwort uff diße deine drey wunderreden: Die
wore christlich Kirch glaubt nichts und gibt nyemant für zu glauben in 30
eincherley weg, das in der schrifft sein grundt nit hat. dann es were nit
gut, dieweil die schrifft alles guts lernet.

n) vorderen.

167. Vgl. 2 Tim 3,16f.

168. Vgl. Jo 10,5.

169. Die Beginen sind eine im Zusammenhange der großen Armenbewegung des
12./13. Jahrhunderts entstandene Vereinigung von Klosterfrauen, die, ohne Gelübde
abgelegt zu haben, in Konventen lebten und sich der Krankenpflege widmeten.
Der Art, wie die Beginen dem ersten Ziele ihrer Vereinigung untreu geworden sind,
entspricht die Abwandlung, die ihr Name erfahren hat, der in der Reformationszeit
gar zu einem Schimpfwort werden konnte. Vgl. H. Fischer: Schwab. Wörterbuch II.
1904ff. 760f.

170. Vgl. I Petr 2,16.
 
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