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SCHRIFTEN DER JAHRE 1524-1528
Abendmahlsstreit noch in seinem Anfangsstadium. Ende September
1524 war Karlstadt in Straßburg erschienen und hatte die Gemüter der
Einwohner stark erregt. Durch ihn wurde auch bei den Straßburger
Theologen die Frage nach der Berechtigung der Lehre von der Real-
präsenz geweckt, ohne daß jene Karlstadt zugefallen wären. Ebenso-
wenig brachte der Besuch des Holländers Hinne Rode im November
1524 eine endgültige Klärung. Bucer und Capito waren damals Eras-
mianer, vermeinten aber Luthers Meinung zu sein. In dieser Meinung
waren sie nun schwankend geworden. Von einer Sonderansicht Zwinglis
wußten sie noch nichts. Es ging ihnen zu dieser Zeit lediglich um die
Berechtigung der Karlstadtschen Abendmahlslehre. Ihretwegen wand-
ten sie sich um Rat an Luther und Zwingli. Erst als Mitte Dezember
beider Antworten in Straßburg eintrafen, wurde dort klar, daß eine
Lehrdifferenz zwischen Luther und Zwingli vorhanden sei, und worin
diese bestand. Von beiden Briefen hinterließ der Zwinglis einen nach-
haltigen Eindruck. Er hatte seinem Antwortschreiben den Brief an
Matthäus Alber beigegeben, der Bucer von der Richtigkeit der tropi-
schen Deutung der Einsetzungsworte überzeugte. Denn am 31. Dezem-
ber 1524 berichtet Capito an Zwingli: »Bucerus ... in tuam sententiam
manibus ac pedibus concedit 7«.
Die klare Parteinahme der Straßburger Theologen Ende 1524 für
Zwinglis Lehre bedeutet jedoch nicht, daß sie nun Kampfgefährten
Zwinglis werden. Sie sind Männer der Mitte 8, die nach dem Offenbar-
werden des Gegensatzes sofort zu vermitteln suchen. Diese Unions-
tendenz muß für Bucers Übersetzung des Bugenhagenschen Psalmen-
kommentars beachtet werden. Die uneinheitliche Parteinahme der Ein-
wohner Straßburgs und die Schwächung der evangelischen Sache
gegenüber den Römischen sind die Wurzeln dieses Vermittlungs-
strebens 9.
Aussicht auf Erfolg konnte ihnen die Tatsache geben, daß Luthers
Schrift »Wider die himmlischen Propheten«, die zu dieser Zeit erschien,
sich gegen Karlstadt wandte, Zwinglis Namen aber nicht nannte. Der
öffentliche Kampf gegen Zwingli war noch nicht entbrannt. Zudem
fehlte noch die sachliche Begründung der Realpräsenz, die Luther in
der erwähnten Schrift gelehrt hatte; hier war noch alles in der Schwebe.
Ob Luther nicht doch noch umzustimmen war?
Diese Hoffnung haben die Straßburger in jener Zeit gehegt. Gregor
Casels Gesandtschaft, die am 10. Oktober 1525 von Straßburg abging,
7. CR 95, Zw 8, 279; vgl. zum Ganzen Köhler I, S. 208ff.
8. Vgl. R. Stupperich: Straßburgs Stellung im Beginn des Sakramentsstreites
(1524-1525). In: ARG 38, 1941, S. 256.
9. Vgl. Köhler I, 213f.
SCHRIFTEN DER JAHRE 1524-1528
Abendmahlsstreit noch in seinem Anfangsstadium. Ende September
1524 war Karlstadt in Straßburg erschienen und hatte die Gemüter der
Einwohner stark erregt. Durch ihn wurde auch bei den Straßburger
Theologen die Frage nach der Berechtigung der Lehre von der Real-
präsenz geweckt, ohne daß jene Karlstadt zugefallen wären. Ebenso-
wenig brachte der Besuch des Holländers Hinne Rode im November
1524 eine endgültige Klärung. Bucer und Capito waren damals Eras-
mianer, vermeinten aber Luthers Meinung zu sein. In dieser Meinung
waren sie nun schwankend geworden. Von einer Sonderansicht Zwinglis
wußten sie noch nichts. Es ging ihnen zu dieser Zeit lediglich um die
Berechtigung der Karlstadtschen Abendmahlslehre. Ihretwegen wand-
ten sie sich um Rat an Luther und Zwingli. Erst als Mitte Dezember
beider Antworten in Straßburg eintrafen, wurde dort klar, daß eine
Lehrdifferenz zwischen Luther und Zwingli vorhanden sei, und worin
diese bestand. Von beiden Briefen hinterließ der Zwinglis einen nach-
haltigen Eindruck. Er hatte seinem Antwortschreiben den Brief an
Matthäus Alber beigegeben, der Bucer von der Richtigkeit der tropi-
schen Deutung der Einsetzungsworte überzeugte. Denn am 31. Dezem-
ber 1524 berichtet Capito an Zwingli: »Bucerus ... in tuam sententiam
manibus ac pedibus concedit 7«.
Die klare Parteinahme der Straßburger Theologen Ende 1524 für
Zwinglis Lehre bedeutet jedoch nicht, daß sie nun Kampfgefährten
Zwinglis werden. Sie sind Männer der Mitte 8, die nach dem Offenbar-
werden des Gegensatzes sofort zu vermitteln suchen. Diese Unions-
tendenz muß für Bucers Übersetzung des Bugenhagenschen Psalmen-
kommentars beachtet werden. Die uneinheitliche Parteinahme der Ein-
wohner Straßburgs und die Schwächung der evangelischen Sache
gegenüber den Römischen sind die Wurzeln dieses Vermittlungs-
strebens 9.
Aussicht auf Erfolg konnte ihnen die Tatsache geben, daß Luthers
Schrift »Wider die himmlischen Propheten«, die zu dieser Zeit erschien,
sich gegen Karlstadt wandte, Zwinglis Namen aber nicht nannte. Der
öffentliche Kampf gegen Zwingli war noch nicht entbrannt. Zudem
fehlte noch die sachliche Begründung der Realpräsenz, die Luther in
der erwähnten Schrift gelehrt hatte; hier war noch alles in der Schwebe.
Ob Luther nicht doch noch umzustimmen war?
Diese Hoffnung haben die Straßburger in jener Zeit gehegt. Gregor
Casels Gesandtschaft, die am 10. Oktober 1525 von Straßburg abging,
7. CR 95, Zw 8, 279; vgl. zum Ganzen Köhler I, S. 208ff.
8. Vgl. R. Stupperich: Straßburgs Stellung im Beginn des Sakramentsstreites
(1524-1525). In: ARG 38, 1941, S. 256.
9. Vgl. Köhler I, 213f.