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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 2): Schriften der Jahre 1524 - 1528 — Gütersloh, 1962

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https://doi.org/10.11588/diglit.29139#0293
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SCHRIFTEN DER JAHRE 1524-1528

lydenhafft und in alle weg, wie üwer einer angefochten worden, das ich
mit üch gar wol kan ein mitlyden tragen. Diß heyßt gemeynlich in der
gschrifft, diß wörtlin praos d, das gemeinlich an statt des Hebreischen
gebrucht wirdt, und wirt deßhalb Senfftmütig vertütschet, das
sölche lüt recht senfftmütig könnend sin. Einer, der selb in lyden ist,
der selb das crütz ouch tregt, der ist gar yngethon 46, gar demütig, wüst
nitt bald uff 47, kan mit den anderen ein mitlyden und senfften mut
haben, so man im schon leyds thut. Also wil nun der Herr sagen: Ich
bin umb üwertwillen angefochten und lydenhafftig worden: ich bin im
hertzen nidrig, hab mich gantz gedemütiget und worden wie ein ander
mensch 48, ja, der verachtetest under allen menschen, und gehorsam biß
in den tod, den tod des crützes 49, und das alles umb üwers heils willen.
Ey, so schühend doch nit vor mir. Sind ir arm, bekümbert, beschwärdt
lüt, eben sölcher nimm ich mich gern an. Sehend an all min leben, ob
ich nit selb mich uffs demütigest gehalten habe, ob ich nit allweg mich
zu nidrigen gern gesellet hab: sehend mine Junger an, wie eyn arms,
schlächts, einfaltigs hüfflin, wie grob und unverstendig, wie kleyn-
G 2 a glöubig und mangelhafft | sy gewesen sygind. Sehend die Zoller und
sünder, die alle sich zu mir thund, mit denen issz und trinck ich, und hab
mit inen alle fröud, das mir die stoltzen Phariseer ein nammen machend,
ich sye ein fraaß 50 und wynsuffer und fründ der sünderen und zollern 51:
darumb schühend nit, alle die ir bekümmeret und beladen sind, kommend
nun frölich und getröstet her zu mir. Mitt söllichem gesind ist mir wol:
Die gesunden dörffend keynes artztes f [Lc 5,31]; Den schaaffen, die vorhin 52 im
stal sind, denen darff man nitt nachgon: Kommend, ir sinds, an denen ich
min Ampt und eer bewysen mag: Lerend von mir, ich bin gar ein milltter
Schulmeyster, ich kan die ungelirnigen, langsamen Schuler wol dulden,
das sehennd an minen zwölff Jungeren, die doch die bösten warend.

Andre verstond dise wort des Herren, das er gemeynt habe, man sölle
von im lernen ouch senfftmütig sin und demütig, wie er gewesen ist 53.
Diß aber ist genugsam begriffen im wörtlin Leren und Joch, uff die
wyse wie ich es dargeben hab, ist aber das die reytzung in den worten,
das er sich unserthalb, uff das wir gern zu im kommind und von im

d) praos. - e) N Y - f) artzets.

46. Raget: schlägt in sich.

47. Braust nicht auf.

48. Vgl. Phil 2,7.

49. Vgl. Phil 2,8.

50. Fresser.

51. Vgl. Lc 7,37.

52. Ohnehin schon.

53. Vgl. zum Beispiel Erasmus, Paraphrase zu Mt 11,30 (Iugum meum suave),
CI VI, 63B-65E.

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