VERGLEICHUNG D. LUTHERS
367
anblick haffte und durch in als menschen auff in als waren Gott und
eyns mit dem vatter und deßhalb auff den vatter selb sich erhebe. Dem-
nach das er sagt: Wer an mich glaubt, glaubt nit an mich, sonder an den, der
mich gsandt a hat [Jo 12,44]. Item: Wer mich gesicht, der sicht den, der mich
5 gsandt b hat [Jo 12,45]. Auß disem folget aber nit, das darumb Christus
nit sey auff erden mensch gewesen, folget aber, das er nit mag leiblich
im brot sein. Dann eben darumb ist er mensch worden, das er für uns
litte und verdient uns den göttlichen geyst, der unser gemüter durch in
zum vatter auffzüge c, und eben darumb, das der glaub muß eyn geystli-|
10 chen anblick haben, ja, auff Gott alleyn rugen, sagt d er: Es ist euch nütze, F 8 a
das ich hyngehe [Jo 16,7], ist hyngangen ins hymelisch wesen. Da, spricht
Paulus, sollen wir in suchen 287. So er denn f nun in seinem eygen fleysch
und menscheyt uns uber die zeit, vom vatter verordnet, nit hat nützen
mögen, ja, so lang in die Jünger im leiblichen anblick hatten, kam der
15 recht lerer, der geyst, nit zu inen, blyben also fleyschlich. Wievil weniger
mag er dann nützeng, ja, wievil hinderlicher were es dem geyst und
glauben, solte er erst in Brötener natur sich wöllen gegenwertig an-
zeygen? Der mensch Christus, spricht Paulus h, ist der mittler 288, durch
den die hertzen zu Gott gefüret i werden, durch in kennen wir den vatter.
20 Dazuj hat er in seiner menschlichen natur den leiblichen augen müssen
entzogen werden, wie solle k er sich dann in der Brötenen wider dar-
geben? Fürt auff zu Gott, nicht undersich auffs brodt muß der war
glaub gerichtet sein. Die ander inreden l des Luthers 289 sind noch un-
besunnener: Dann erkennen, das eyn Christenmensch unser nechster
25 sey, man und weib unsere ältern, und Gott hymel und erden geschaffen
hat, ist nit der lebendigmachend Christlich glaub, darin der gerecht
lebet 290. Derselbig hat alleyn Gott, den gnädigen verheysser, oder sein
wort zum gegenwurff und sonst nichts; hat der Luther selb geschriben
über den fünfften Psalmen 291.
30 Seb.: Was aber zu dem, das D. Luther sagt 292, dem glauben werd
allzeit eyn leiblicher anblick fürgstellet m ? Darunder er doch eyn anders
verstehe und begreiffe, wie dem | Abraham sein und seins weibs ver- F 8 b
altete leib, die er anschawen und doch ein forcht hoffen müste 293.
a) gesandt B. — b) gesandt B. — c) auffzöge B. — d) sag B. — e) nutz B. — f) dann B. —
g) nutzen B. — h) Paulns A. — i) gefürt B. - j) Dozu B. - k) sol B. - l) einreden B. -
m) fürgestellet B.
287. Vgl. Col 3,1.
288. Vgl. I Tim 2,5.
289. Immer noch Luthers dritter Einwand; WA 26, 436, 18-20.
290. Vgl. Hab 2,4.
291. Vgl. Operationes in Psalmos (1519—21); WA 5,175.
292. Vgl. WA 26, 436, 22-23.
293. Vgl. Ro 4,19ff.; WA 26, 436, 24-25.
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anblick haffte und durch in als menschen auff in als waren Gott und
eyns mit dem vatter und deßhalb auff den vatter selb sich erhebe. Dem-
nach das er sagt: Wer an mich glaubt, glaubt nit an mich, sonder an den, der
mich gsandt a hat [Jo 12,44]. Item: Wer mich gesicht, der sicht den, der mich
5 gsandt b hat [Jo 12,45]. Auß disem folget aber nit, das darumb Christus
nit sey auff erden mensch gewesen, folget aber, das er nit mag leiblich
im brot sein. Dann eben darumb ist er mensch worden, das er für uns
litte und verdient uns den göttlichen geyst, der unser gemüter durch in
zum vatter auffzüge c, und eben darumb, das der glaub muß eyn geystli-|
10 chen anblick haben, ja, auff Gott alleyn rugen, sagt d er: Es ist euch nütze, F 8 a
das ich hyngehe [Jo 16,7], ist hyngangen ins hymelisch wesen. Da, spricht
Paulus, sollen wir in suchen 287. So er denn f nun in seinem eygen fleysch
und menscheyt uns uber die zeit, vom vatter verordnet, nit hat nützen
mögen, ja, so lang in die Jünger im leiblichen anblick hatten, kam der
15 recht lerer, der geyst, nit zu inen, blyben also fleyschlich. Wievil weniger
mag er dann nützeng, ja, wievil hinderlicher were es dem geyst und
glauben, solte er erst in Brötener natur sich wöllen gegenwertig an-
zeygen? Der mensch Christus, spricht Paulus h, ist der mittler 288, durch
den die hertzen zu Gott gefüret i werden, durch in kennen wir den vatter.
20 Dazuj hat er in seiner menschlichen natur den leiblichen augen müssen
entzogen werden, wie solle k er sich dann in der Brötenen wider dar-
geben? Fürt auff zu Gott, nicht undersich auffs brodt muß der war
glaub gerichtet sein. Die ander inreden l des Luthers 289 sind noch un-
besunnener: Dann erkennen, das eyn Christenmensch unser nechster
25 sey, man und weib unsere ältern, und Gott hymel und erden geschaffen
hat, ist nit der lebendigmachend Christlich glaub, darin der gerecht
lebet 290. Derselbig hat alleyn Gott, den gnädigen verheysser, oder sein
wort zum gegenwurff und sonst nichts; hat der Luther selb geschriben
über den fünfften Psalmen 291.
30 Seb.: Was aber zu dem, das D. Luther sagt 292, dem glauben werd
allzeit eyn leiblicher anblick fürgstellet m ? Darunder er doch eyn anders
verstehe und begreiffe, wie dem | Abraham sein und seins weibs ver- F 8 b
altete leib, die er anschawen und doch ein forcht hoffen müste 293.
a) gesandt B. — b) gesandt B. — c) auffzöge B. — d) sag B. — e) nutz B. — f) dann B. —
g) nutzen B. — h) Paulns A. — i) gefürt B. - j) Dozu B. - k) sol B. - l) einreden B. -
m) fürgestellet B.
287. Vgl. Col 3,1.
288. Vgl. I Tim 2,5.
289. Immer noch Luthers dritter Einwand; WA 26, 436, 18-20.
290. Vgl. Hab 2,4.
291. Vgl. Operationes in Psalmos (1519—21); WA 5,175.
292. Vgl. WA 26, 436, 22-23.
293. Vgl. Ro 4,19ff.; WA 26, 436, 24-25.