14. Juli 2001
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Die Unternehmensberatung pflegt eine eigene Rhetorik. Während der Wissen-
schaftler gegenüber anderen Wissenschaftlern immer bestrebt sein muss, die Phä-
nomene, die er erklären will, nicht weniger komplex erscheinen zu lassen, als sie in
Wirklichkeit sind, ist der Berater auf Vereinfachung aus. Beispielsweise ist er ein
Anhänger von Erklärungen, in denen ein bestimmter Faktor - etwa Unternehmens-
kultur, Total Quality, Prozessgestaltung - zur Kernursache von Erfolg und Misserfolg
deklariert wird. Er überzeugt durch Beispiele aus der Praxis, die, sieht man genauer
hin, hochgradig stilisiert sind. Vereinfachend - zumindest auf den ersten Blick - wir-
ken auch Metaphern, die er häufig in seine Kommunikation einstreut: Aus „Palast-
organisationen“ müssen „Zeltorganisationen“ werden, die Hierarchie ist durch ein
Netzwerk zu ersetzen oder aus Stellen und Abteilungen müssen interne Lieferanten
und Kunden werden. Allerdings muss er, um seine Unentbehrlichkeit deutlich zu
machen, auch „mystifizieren“. Er tut dies in erster Linie dadurch, dass er Begriffe wie
Unternehmenskultur, Intuition, Augenmaß, Erfahrung, Kenntnis von best practices
ins Spiel bringt, die die Zuhörer (oder Leser) nicht mit Inhalten füllen können.
Versuche, Unternehmensberatung wissenschaftlich zu fundieren, sind bislang in der
Betriebswirtschaftslehre nicht sehr erfolgreich verlaufen. Vor allem lag dies daran, dass
die Theorien der Betriebswirtschaftslehre nicht sehr praxisnah angelegt sind, dass sich
die Theorien und die sie stützenden empirischen Ergebnisse untereinander häufig
widersprechen und dass die Denkstrukturen von Praktikern nicht unbedingt mit
denen von Wissenschaftlern korrespondieren.
Die bisherigen Ausführungen dürften bereits zur Erklärung ausreichen, weshalb
Manager eher Unternehmensberater als Wissenschaftler um Rat angehen. Sie erklären
aber noch nicht das atemraubende Wachstum der Beratungsbranche, das jährlich 10
bis 15 Prozent beträgt (in Deutschland und weltweit). Ein wesentliches Element der
Erklärung dieses Phänomens ist dann zu suchen, dass Unternehmensberatungen
einerseits die Unsicherheit der Manager systematisch erhöhen, dann aber auch dazu
beitragen, dass Manager das Gefühl zurückerhalten, sie könnten eine wirksame Steue-
rung über das Unternehmen ausüben. Eine Verunsicherung der Manager erreichen
Unternehmensberater zum einen dadurch, dass sie zur Steigerung der Komplexität des
Unternehmens beitragen. Sie fördern die Spezialisierung von Unternehmen in ver-
schiedene Funktionen wie Personalmanagement, Rechnungswesen, Marketing und
Finanzierung und sie statten diese Funktionen mit spezifischen Methoden und Steue-
rungsinstrumenten aus. Dem Topmanagement drängt sich dann häufig der Eindruck
auf, dass diese Funktionen im Sinne einer Gesamtsteuerung des Unternehmens nicht
mehr zu integrieren sind. Das zweite Instrument, das Unternehmensberater zur Ver-
unsicherung der Manager einsetzen, ist das kontinuierliche Kreieren von Manage-
mentkonzepten, von denen einige zu Managementmoden avancieren. Manager fragen
sich, ob sie es sich leisten können, diese Managementmoden, von denen allenthalben
berichtet wird und zu deren Implementierung in aller Regel em Berater herangezogen
werden muss, nicht auf das eigene Unternehmen anzuwenden. Zur Verunsicherung
trägt auch bei, dass externe Anspruchsgruppen ihre Erwartungen an das Unternehmen
ständig steigern. Indem sie Konzepte wie Shareholder Value propagieren, tragen
Unternehmensberater auch zur Verschärfung dieser Ansprüche bei. Die Verunsiche-
rung der Manager wirkt sich positiv auf die Nachfrage nach Unternehmensberatung
aus. Da die Konkurrenten der beratenen Unternehmen ähnliche Projekte mit Beratern
durchgeführt haben wie sie selbst, da ständig neue Managementmoden auf den Markt
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Die Unternehmensberatung pflegt eine eigene Rhetorik. Während der Wissen-
schaftler gegenüber anderen Wissenschaftlern immer bestrebt sein muss, die Phä-
nomene, die er erklären will, nicht weniger komplex erscheinen zu lassen, als sie in
Wirklichkeit sind, ist der Berater auf Vereinfachung aus. Beispielsweise ist er ein
Anhänger von Erklärungen, in denen ein bestimmter Faktor - etwa Unternehmens-
kultur, Total Quality, Prozessgestaltung - zur Kernursache von Erfolg und Misserfolg
deklariert wird. Er überzeugt durch Beispiele aus der Praxis, die, sieht man genauer
hin, hochgradig stilisiert sind. Vereinfachend - zumindest auf den ersten Blick - wir-
ken auch Metaphern, die er häufig in seine Kommunikation einstreut: Aus „Palast-
organisationen“ müssen „Zeltorganisationen“ werden, die Hierarchie ist durch ein
Netzwerk zu ersetzen oder aus Stellen und Abteilungen müssen interne Lieferanten
und Kunden werden. Allerdings muss er, um seine Unentbehrlichkeit deutlich zu
machen, auch „mystifizieren“. Er tut dies in erster Linie dadurch, dass er Begriffe wie
Unternehmenskultur, Intuition, Augenmaß, Erfahrung, Kenntnis von best practices
ins Spiel bringt, die die Zuhörer (oder Leser) nicht mit Inhalten füllen können.
Versuche, Unternehmensberatung wissenschaftlich zu fundieren, sind bislang in der
Betriebswirtschaftslehre nicht sehr erfolgreich verlaufen. Vor allem lag dies daran, dass
die Theorien der Betriebswirtschaftslehre nicht sehr praxisnah angelegt sind, dass sich
die Theorien und die sie stützenden empirischen Ergebnisse untereinander häufig
widersprechen und dass die Denkstrukturen von Praktikern nicht unbedingt mit
denen von Wissenschaftlern korrespondieren.
Die bisherigen Ausführungen dürften bereits zur Erklärung ausreichen, weshalb
Manager eher Unternehmensberater als Wissenschaftler um Rat angehen. Sie erklären
aber noch nicht das atemraubende Wachstum der Beratungsbranche, das jährlich 10
bis 15 Prozent beträgt (in Deutschland und weltweit). Ein wesentliches Element der
Erklärung dieses Phänomens ist dann zu suchen, dass Unternehmensberatungen
einerseits die Unsicherheit der Manager systematisch erhöhen, dann aber auch dazu
beitragen, dass Manager das Gefühl zurückerhalten, sie könnten eine wirksame Steue-
rung über das Unternehmen ausüben. Eine Verunsicherung der Manager erreichen
Unternehmensberater zum einen dadurch, dass sie zur Steigerung der Komplexität des
Unternehmens beitragen. Sie fördern die Spezialisierung von Unternehmen in ver-
schiedene Funktionen wie Personalmanagement, Rechnungswesen, Marketing und
Finanzierung und sie statten diese Funktionen mit spezifischen Methoden und Steue-
rungsinstrumenten aus. Dem Topmanagement drängt sich dann häufig der Eindruck
auf, dass diese Funktionen im Sinne einer Gesamtsteuerung des Unternehmens nicht
mehr zu integrieren sind. Das zweite Instrument, das Unternehmensberater zur Ver-
unsicherung der Manager einsetzen, ist das kontinuierliche Kreieren von Manage-
mentkonzepten, von denen einige zu Managementmoden avancieren. Manager fragen
sich, ob sie es sich leisten können, diese Managementmoden, von denen allenthalben
berichtet wird und zu deren Implementierung in aller Regel em Berater herangezogen
werden muss, nicht auf das eigene Unternehmen anzuwenden. Zur Verunsicherung
trägt auch bei, dass externe Anspruchsgruppen ihre Erwartungen an das Unternehmen
ständig steigern. Indem sie Konzepte wie Shareholder Value propagieren, tragen
Unternehmensberater auch zur Verschärfung dieser Ansprüche bei. Die Verunsiche-
rung der Manager wirkt sich positiv auf die Nachfrage nach Unternehmensberatung
aus. Da die Konkurrenten der beratenen Unternehmen ähnliche Projekte mit Beratern
durchgeführt haben wie sie selbst, da ständig neue Managementmoden auf den Markt