Herbert Hunger
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senschaftlichen Großveranstaltung betraut, wurde der „Wiener Kongreß“ im Oktober
1981 in gewissem Sinne zu einem Höhepunkt der internationalen Karriere Hungers,
zu einer Leistungsschau der von ihm begründeten „Wiener Schule der Byzantinistik“
und zu einer zukunftsweisenden Bestandsaufnahme des Gesamtfaches: Mehr als tau-
send Teilnehmer versammelten sich in der Hofburg in Wien; die Hauptreferate lagen
(in drei Bänden) schon zu Beginn des Kongresses gedruckt vor, und die Veröffentli-
chung sämtlicher weiterer Kongreßbeiträge (in sieben Bänden mit über 3.000 Seiten)
war 1982 abgeschlossen - eine Bilanz, die nur wenige internationale Symposien auf
dem Gebiet der Geisteswissenschaften ziehen konnten (und können).
Danach begann Herbert Hunger, sich langsam aus seinen ebenso verantwortungs-
vollen wie arbeitsintensiven Positionen zurückzuziehen: 1982 schied er aus dem Prä-
sidium der Österreichischen Akademie der Wissenschaften aus - ein formeller Akt,
der sein Engagement für die Anliegen der Akademie in keiner Weise minderte; 1985
übergab er das Universitätsinstitut (das in der Zwischenzeit dank seiner Bemühungen
um das Fach Neogräzistik erweitert und in ein „Institut für Byzantinistik und Neo-
gräzistik“ umgestaltet worden war) an seinen Schüler Johannes Koder; 1986 verzich-
tete er auf die Wiederwahl zum Präsidenten der Association Internationale des Etudes
Byzantines; kurz nach seinem 80. Geburtstag trat er auch als Obmann der Kommis-
sionen für Byzantinistik und für die Tabula Imperii Byzantini zurück. Mancher dieser
Schritte mag Herbert Hunger nicht leicht gefallen sein: 1982 zitierte er, gewiß nicht
zufällig, in seiner letzten Rede als Präsident der Österreichischen Akademie der Wis-
senschaften während der Feierlichen Sitzung jene Worte, die Ludwig van Beethoven
an den Beginn des letzten Satzes seines Streichquartetts op. 135 gesetzt hatte: „Der
schwer gefaßte Entschluß. Muß es sein? Es muß sein!“. Und bei diesem „Es muß
sein!“ blieb Herbert Hunger - freilich nicht in wissenschaftlicher Hinsicht: Er nahm
keinen „Abschied von Byzanz“, sondern widmete sich weiterhin „seinen“ Byzanti-
nern: Neben der fortgesetzten Arbeit zu verschiedenen Themen der griechischen
Paläographie, seiner „Jugendliebe“ als Byzantinist, beschäftigten ihn nunmehr vor
allem Fragen des Sprachniveaus und der Stilstufen der byzantinischen Literatur (der
Rhetorik hatte schon immer sein lebhaftes Interesse gegolten, wie etwa seine 1972 ver-
öffentlichte Studie zu den „Aspekten der griechischen Rhetorik von Gorgias bis zum
Untergang von Byzanz“ bezeugt). Um wieder nur willkürlich einiges herauszugreifen:
1981 erschien sein Buch „Anonyme Metaphrase zu Anna Komnene, Alexias XI-XIII.
Ein Beitrag zur Erschließung der byzantinischen Umgangssprache“, 1986 der gemein-
sam mit Ihor Sevcenko bearbeitete Band „Des Nikephoros Blemmydes BaoAixög
avÖQtag und dessen Metaphrase von Georgios Galesiotes und Georgios Oinaiotes. Ein
weiterer Beitrag zum Verständnis der byzantinischen Schrift-Koine“, beides Veröf-
fentlichungen im Rahmen der von Hunger selbst begründeten „Wiener Byzantinisti-
schen Studien“, 1997 sein Artikel „Zur scheinbaren Nonchalance der Kanzleisprache
des Patriarchatsregisters. Verschleierung, Absicherung und Ironie in den Urkunden
des Patriarchats von Konstantinopel“. Dazu traten mentalitätsgeschichtliche Studien,
etwa die kleine Monographie „Graeculus perfidus - ’lTakög ixapog. II senso dell’al-
teritä nei rapporti greco-romani ed italo-bizantini“ (1987).
Auch die späten wissenschaftlichen Bemühungen Hungers waren eng mit seinem
feinen Spürsinn für die verschiedenen Möglichkeiten des Einsatzes der Sprache ver-
bunden - und mit seiner letzten, noch zu seinen Lebzeiten erschienenen Publikation
verließ Herbert Hunger bemerkenswerterweise das ihm seit so vielen Jahrzehnten ver-
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senschaftlichen Großveranstaltung betraut, wurde der „Wiener Kongreß“ im Oktober
1981 in gewissem Sinne zu einem Höhepunkt der internationalen Karriere Hungers,
zu einer Leistungsschau der von ihm begründeten „Wiener Schule der Byzantinistik“
und zu einer zukunftsweisenden Bestandsaufnahme des Gesamtfaches: Mehr als tau-
send Teilnehmer versammelten sich in der Hofburg in Wien; die Hauptreferate lagen
(in drei Bänden) schon zu Beginn des Kongresses gedruckt vor, und die Veröffentli-
chung sämtlicher weiterer Kongreßbeiträge (in sieben Bänden mit über 3.000 Seiten)
war 1982 abgeschlossen - eine Bilanz, die nur wenige internationale Symposien auf
dem Gebiet der Geisteswissenschaften ziehen konnten (und können).
Danach begann Herbert Hunger, sich langsam aus seinen ebenso verantwortungs-
vollen wie arbeitsintensiven Positionen zurückzuziehen: 1982 schied er aus dem Prä-
sidium der Österreichischen Akademie der Wissenschaften aus - ein formeller Akt,
der sein Engagement für die Anliegen der Akademie in keiner Weise minderte; 1985
übergab er das Universitätsinstitut (das in der Zwischenzeit dank seiner Bemühungen
um das Fach Neogräzistik erweitert und in ein „Institut für Byzantinistik und Neo-
gräzistik“ umgestaltet worden war) an seinen Schüler Johannes Koder; 1986 verzich-
tete er auf die Wiederwahl zum Präsidenten der Association Internationale des Etudes
Byzantines; kurz nach seinem 80. Geburtstag trat er auch als Obmann der Kommis-
sionen für Byzantinistik und für die Tabula Imperii Byzantini zurück. Mancher dieser
Schritte mag Herbert Hunger nicht leicht gefallen sein: 1982 zitierte er, gewiß nicht
zufällig, in seiner letzten Rede als Präsident der Österreichischen Akademie der Wis-
senschaften während der Feierlichen Sitzung jene Worte, die Ludwig van Beethoven
an den Beginn des letzten Satzes seines Streichquartetts op. 135 gesetzt hatte: „Der
schwer gefaßte Entschluß. Muß es sein? Es muß sein!“. Und bei diesem „Es muß
sein!“ blieb Herbert Hunger - freilich nicht in wissenschaftlicher Hinsicht: Er nahm
keinen „Abschied von Byzanz“, sondern widmete sich weiterhin „seinen“ Byzanti-
nern: Neben der fortgesetzten Arbeit zu verschiedenen Themen der griechischen
Paläographie, seiner „Jugendliebe“ als Byzantinist, beschäftigten ihn nunmehr vor
allem Fragen des Sprachniveaus und der Stilstufen der byzantinischen Literatur (der
Rhetorik hatte schon immer sein lebhaftes Interesse gegolten, wie etwa seine 1972 ver-
öffentlichte Studie zu den „Aspekten der griechischen Rhetorik von Gorgias bis zum
Untergang von Byzanz“ bezeugt). Um wieder nur willkürlich einiges herauszugreifen:
1981 erschien sein Buch „Anonyme Metaphrase zu Anna Komnene, Alexias XI-XIII.
Ein Beitrag zur Erschließung der byzantinischen Umgangssprache“, 1986 der gemein-
sam mit Ihor Sevcenko bearbeitete Band „Des Nikephoros Blemmydes BaoAixög
avÖQtag und dessen Metaphrase von Georgios Galesiotes und Georgios Oinaiotes. Ein
weiterer Beitrag zum Verständnis der byzantinischen Schrift-Koine“, beides Veröf-
fentlichungen im Rahmen der von Hunger selbst begründeten „Wiener Byzantinisti-
schen Studien“, 1997 sein Artikel „Zur scheinbaren Nonchalance der Kanzleisprache
des Patriarchatsregisters. Verschleierung, Absicherung und Ironie in den Urkunden
des Patriarchats von Konstantinopel“. Dazu traten mentalitätsgeschichtliche Studien,
etwa die kleine Monographie „Graeculus perfidus - ’lTakög ixapog. II senso dell’al-
teritä nei rapporti greco-romani ed italo-bizantini“ (1987).
Auch die späten wissenschaftlichen Bemühungen Hungers waren eng mit seinem
feinen Spürsinn für die verschiedenen Möglichkeiten des Einsatzes der Sprache ver-
bunden - und mit seiner letzten, noch zu seinen Lebzeiten erschienenen Publikation
verließ Herbert Hunger bemerkenswerterweise das ihm seit so vielen Jahrzehnten ver-