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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2001 — 2002

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I. Das Geschäftsjahr 2001
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Brix, Peter: Heinz Maier-Leibniz (28.3.1911 - 16.12.2000)
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https://doi.org/10.11588/diglit.66350#0144
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Heinz Maier-Leibnitz

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tiker Max Born. Für das Thema „Experimentelle Methoden in der Astrophysik“
stürzte er sich in intensive sechswöchige Vorbereitungen, hatte mit seinem Referat
Erfolg und gewann dadurch „das Bewusstsein, dass man etwas lernen und dann wirk-
lich können kann“. Das war der Beginn von Selbständigkeit. Die Universität bot ihm
ein Bild, in dem statt Selbstsucht und Karrieredenken das wissenschaftliche Interesse
und gegenseitige Zuneigung die Haltung der Mitglieder bestimmten.
Mit dem 30. Januar 1933 war dann die große Zeit in Göttingen zu Ende. Franck
stellte sein Amt zur Verfügung und emigrierte. Maier-Leibnitz bekam von ihm noch
als Thema für die Doktorarbeit den Stoßprozess langsamer Elektronen mit Edelgasen
und entdeckte dabei Resonanzzustände im negativen Helium-Ion. Für die Diskussion
des fertigen Manuskripts fuhr er mit den damals erlaubten zehn Mark zu Franck nach
Kopenhagen und durfte im Kolloquium von Bohr über seine Arbeit referieren. Im
April 1935 wurde er in Göttingen promoviert.
Zum 1. August 1935 nahm Maier-Leibnitz das Angebot von Walther Bothe an, zu-
nächst als Hilfsassistent an das Institut für Physik am Kaiser-Wilhelm-Institut für
medizinische Forschung nach Heidelberg zu kommen. Er konnte gleich einsteigen in
kernphysikalische Koinzidenzmessungen mit einer Apparatur, die Hans Jakob v. Bae-
yer aufgebaut hatte, der emigrieren musste. Mit Bothe zusammen wiederholte er dann
den „Bothe-Geiger-Versuch“ über die Energieerhaltung beim Compton-Effekt für
energiereichere Gammastrahlen, weil für diese Erhaltung die Gültigkeit angezweifelt
worden war.
Die Anwendung der Koinzidenzmethode in der Kernspektroskopie eröffnete Neu-
land. Durch Zufall entdeckte Maier-Leibnitz, dass die beiden Gammastrahlen, welche bei
der Vernichtung eines Positrons mit einem Elektron entstehen, nicht genau entgegenge-
setzt ausgesandt werden. Das Elektron hat nämlich im Atom eine erhebliche Geschwin-
digkeit, die sich nun auf diese Weise messen ließ. Aus diesem ersten Beispiel angewand-
ter Kernphysik wurde später in Münschen und Grenoble ein Hauptarbeitsgebiet.
Ab etwa 1938 baute Maier-Leibnitz eine Nebelkammer auf; es gelang ihm, die
Dauer der Empfindlichkeit auf 1 bis 2 Sekunden auszudehnen. Es gab wichtige Ergeb-
nisse. Umfangreiches Bildmaterial wurde in dem „Atlas typischer Nebelkammerbil-
der“ von Bothe, Gentner und Maier-Leibnitz zusammengetragen (Springer 1940; Per-
gamon 1954). Diese Bahnspuren machen die Wunderwelt der Elementarteilchen faszi-
nierend anschaulich.
Bei Kriegsbeginn wurde Maier-Leibnitz zum Wetterdienst der Luftwaffe eingezo-
gen. Wegen des Wehrdienstes war er an den Arbeiten des „Uranvereins“ nicht betei-
ligt. Die erste Nachkriegszeit endete mit einem einjährigen Aufenthalt in Texas als
Mitglied einer Gruppe von deutschen Luftfahrtmedizinern. Als er im Mai 1948
zurückkam, war Bothe wieder Inhaber des Lehrstuhls an der Universität, den er 1934
aufgegeben hatte. Maier-Leibnitz bekam als Abteilungsleiter seines ehemaligen Insti-
tuts, das jetzt ein Max-Planck-Institut war, eine Vertretungsfunktion und war auch an
der Universität in Lehre und Forschung tätig. „Damit begann eine schöne Zeit in der
neuen Freiheit“. Er bereicherte die Forschung im Institut mit seiner breiten Sach-
kenntnis und einer hervorragenden Literaturkartei. Zur Kernspektroskopie kamen
Anwendungen der Radioaktivität in Biochemie und Medizin hinzu, am Zyklotron
auch die Messung der Helizität des Antineutrinos.
Mitten in die erfolgreichen Heidelberger Aktivitäten erreichte Maier-Leibnitz ein
Ruf aus München auf den Lehrstuhl für Technische Physik der Technischen Hoch-
 
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