Anthony D. Ho
129
Antrittsrede von Herrn ANTHONY D. HO
an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 10. Juli 2004.
Herr Präsident Graf Kielmansegg,
verehrte Herren Sekretäre,
meine Damen und Herren!
Ich bin Hämatologe, internistischer Onkologe und
Blutstammzellforscher und leite als Ärztlicher Direktor
die Abteilung Innere Medizin V mit den Schwerpunk-
ten Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie der
Universität Heidelberg.
Geboren wurde ich 1948 in Hongkong, das
damals noch eine britische Kronkolonie war. Meine
Geburt war wohl kein gutes Omen für meine Eltern.
Nicht mal sechs Monate nach meiner Geburt hat mein Vater, der damals Kaufmann
war und sich ein Geschäftsimperium aufgebaut hatte, seine Häuser in Haiphong,
Nordvietnam, und Canton, China, hintereinander verloren.Völlig enttäuscht von den
Ereignissen in Asien, hat er mich bei meinen Großeltern in Hongkong gelassen und
mit meiner Mutter eine Europareise angetreten. Den Großeltern versprach er, mich
nach sechs Monaten abzuholen. Das hatte er wohl vergessen. Er blieb in Europa,
genauer gesagt in Innsbruck und Heidelberg, endlos lange. Da war der Glaube, dass
der Kommunismus in China nur eine vorübergehende Erscheinung sei und er als Arzt
dem Vaterland besser dienen könne. Und so hat er 1949 em Medizinstudium in Inns-
bruck angefangen und dieses 1954 in Heidelberg abgeschlossen. Auf seine Rückkehr
nach Hongkong und die Befreiung Chinas haben wir vergeblich gewartet.
Also wuchs ich in Hongkong bei meinen Großeltern auf, bis ich hochschul-
reif war. Hongkong stellte damals eine Oase der „Freiheit“ dar, eine Mischung aus
britischem Kalkül und chinesischer Gelassenheit. Schon in früher Kindheit wurde
ich also unterschiedlichen kulturellen Gegensätzen ausgeliefert. Zum Beispiel hat
mich meine buddhistische Großmutter in die katholische Schule der Salesianer
geschickt. Somit habe ich nach britisch-irischem Modell eine sehr strenge katholi-
sche Erziehung in Hongkong genossen.
Zum Studium der Medizin und um meine Eltern kennen zu lernen, bin ich
dann im Jahr 1968 nach Heidelberg gekommen.
Die Medizin hat mich schon als Kind fasziniert. Als ich mit dem Medizinstu-
dium anfangen wollte, hat mir mein Vater allerdings davon abgeraten. Er war der
Meinung, dass meine intellektuelle Kapazität meiner physischen Größe entspräche
und beide seien nicht den Anforderungen der modernen Medizin gewachsen.
„Beschäftige dich mit etwas Kleinem wie Elektronen und werde Elektriker — Ener-
gie braucht man immer“.
Mit Beharrlichkeit und mit Hilfe meines ersten Mentors Herrn Prof. Reissigl,
Professor der Chirurgie an der Universität Innsbruck, konnte ich mich durchsetzen
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Antrittsrede von Herrn ANTHONY D. HO
an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 10. Juli 2004.
Herr Präsident Graf Kielmansegg,
verehrte Herren Sekretäre,
meine Damen und Herren!
Ich bin Hämatologe, internistischer Onkologe und
Blutstammzellforscher und leite als Ärztlicher Direktor
die Abteilung Innere Medizin V mit den Schwerpunk-
ten Hämatologie, Onkologie und Rheumatologie der
Universität Heidelberg.
Geboren wurde ich 1948 in Hongkong, das
damals noch eine britische Kronkolonie war. Meine
Geburt war wohl kein gutes Omen für meine Eltern.
Nicht mal sechs Monate nach meiner Geburt hat mein Vater, der damals Kaufmann
war und sich ein Geschäftsimperium aufgebaut hatte, seine Häuser in Haiphong,
Nordvietnam, und Canton, China, hintereinander verloren.Völlig enttäuscht von den
Ereignissen in Asien, hat er mich bei meinen Großeltern in Hongkong gelassen und
mit meiner Mutter eine Europareise angetreten. Den Großeltern versprach er, mich
nach sechs Monaten abzuholen. Das hatte er wohl vergessen. Er blieb in Europa,
genauer gesagt in Innsbruck und Heidelberg, endlos lange. Da war der Glaube, dass
der Kommunismus in China nur eine vorübergehende Erscheinung sei und er als Arzt
dem Vaterland besser dienen könne. Und so hat er 1949 em Medizinstudium in Inns-
bruck angefangen und dieses 1954 in Heidelberg abgeschlossen. Auf seine Rückkehr
nach Hongkong und die Befreiung Chinas haben wir vergeblich gewartet.
Also wuchs ich in Hongkong bei meinen Großeltern auf, bis ich hochschul-
reif war. Hongkong stellte damals eine Oase der „Freiheit“ dar, eine Mischung aus
britischem Kalkül und chinesischer Gelassenheit. Schon in früher Kindheit wurde
ich also unterschiedlichen kulturellen Gegensätzen ausgeliefert. Zum Beispiel hat
mich meine buddhistische Großmutter in die katholische Schule der Salesianer
geschickt. Somit habe ich nach britisch-irischem Modell eine sehr strenge katholi-
sche Erziehung in Hongkong genossen.
Zum Studium der Medizin und um meine Eltern kennen zu lernen, bin ich
dann im Jahr 1968 nach Heidelberg gekommen.
Die Medizin hat mich schon als Kind fasziniert. Als ich mit dem Medizinstu-
dium anfangen wollte, hat mir mein Vater allerdings davon abgeraten. Er war der
Meinung, dass meine intellektuelle Kapazität meiner physischen Größe entspräche
und beide seien nicht den Anforderungen der modernen Medizin gewachsen.
„Beschäftige dich mit etwas Kleinem wie Elektronen und werde Elektriker — Ener-
gie braucht man immer“.
Mit Beharrlichkeit und mit Hilfe meines ersten Mentors Herrn Prof. Reissigl,
Professor der Chirurgie an der Universität Innsbruck, konnte ich mich durchsetzen