52 | JAHRESFEIER
sehen Anciennitätsregeln mit seinen 49 Jahren dafür noch zu jung war. So verfiel
man auf Hindenburg. Wie General Groener, em Augenzeuge von dessen Berufung,
später berichtete, war „der einzige Grund“ für die Wahl Hindenburgs der Umstand,
„daß man von seinem Phlegma absolute Untätigkeit erwartete, um Ludendorff
völlig freie Hand zu lassen“16. Zwischen dem 25. und 31. August 1914 wurden die
beiden russischen Armeen bei Tannenberg vollständig aufgerieben. Die operativen
Planungen stammten von Oberstleutnant Max Hoffmann und Generalstabschef
Ludendorff. Als nationaler Held und Retter wurde jedoch allem Hindenburg ge-
feiert.
Je länger der Weltkrieg sich hinzog, desto stärker konzentrierten sich alle
Hoffnungen auf diesen Helden. Die Berufung Hindenburgs und Ludendorffs an die
Spitze der Obersten Heeresleitung im August 1916 kam diesen Hoffnungen ent-
gegen. Dank des Glaubens an seine charismatischen Fähigkeiten verfügte Hinden-
burg in dieser Stellung über ein solches Gewicht, daß er weitreichende politische
Entscheidungen durchzusetzen vermochte. Dazu gehörte im Januar 1917 der
Beschluß, den unbeschränkten U-Boot-Krieg wieder aufzunehmen, obwohl die Ver-
einigten Staaten für diesen Fall ihren Kriegseintritt angekündigt hatten. Mit einer
einfachen Rücktrittsdrohung erreichte Hindenburg im Juli 1917, daß Wilhelm II.
den Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg fallen ließ. Wie ein Zeitzeuge
berichtet, kommentierte der Kaiser diesen Eingriff in seine Rechte mit den Worten,
es sei wohl Zeit für ihn abzudanken, da zum ersten Mal em preußischer Monarch
durch seine Generäle gezwungen worden sei, etwas zu tun, was er nicht wolle17. Bei
anderer Gelegenheit erklärte Wilhelm, im Hauptquartier sei er „nur Adjutant von
Hindenburg und habe gar nichts zu sagen“18. Ähnlich wie im Verhältnis zwischen
Garibaldi und Viktor Emanuel II. standen zwei entgegengesetzte Arten von Legiti-
mität einander gegenüber: Der Kaiser suchte sich auf seine traditionelle dynastische
Legitimität zu stützen; Hindenburg dagegen verfügte über eine gewaltige plebiszitä-
re Legitimation. Wie sehr der Kaiser dadurch in seiner Dispositionsfreiheit einge-
schränkt wurde, zeigt die Feststellung des Oberbefehlshabers der dritten Armee,
Generaloberst von Emern, aus dem September 1916, für ihn sei es „ein schönes
Gefühl, daß Hindenburg und Ludendorff überhaupt unabsetzbar“ seien19.
Nicht anders, als Cavour es für seinen König erwogen hatte, überlegte auch
Wilhelm II.. wie er anstelle Hindenburgs selbst zum Helden werden könne. Im
Februar 1915 begründete er seine Absicht, auch nach der Winterschlacht in den
Masuren in Ostpreußen zu bleiben, mit der Bemerkung: „Ich will der Befreier von
16 Zit. nach: Groener-Geyer, Dorothea, General Groener. Soldat und Staatsmann, Frankfurt 1955,
S. 339.
17 Zit. nach: Pyta, Hindenburg, S. 283.
18 Görlitz, Walter (Hg.), Regierte der Kaiser? Kriegstagebücher, Aufzeichnungen und Briefe des
Chefs des Marine-Kabinetts Admiral Georg Alexander von Müller 1914—1918, Göttingen 1959,
28.5.1917,8. 289.
19 Zit. nach: Pyta, Hindenburg, S. 258.
sehen Anciennitätsregeln mit seinen 49 Jahren dafür noch zu jung war. So verfiel
man auf Hindenburg. Wie General Groener, em Augenzeuge von dessen Berufung,
später berichtete, war „der einzige Grund“ für die Wahl Hindenburgs der Umstand,
„daß man von seinem Phlegma absolute Untätigkeit erwartete, um Ludendorff
völlig freie Hand zu lassen“16. Zwischen dem 25. und 31. August 1914 wurden die
beiden russischen Armeen bei Tannenberg vollständig aufgerieben. Die operativen
Planungen stammten von Oberstleutnant Max Hoffmann und Generalstabschef
Ludendorff. Als nationaler Held und Retter wurde jedoch allem Hindenburg ge-
feiert.
Je länger der Weltkrieg sich hinzog, desto stärker konzentrierten sich alle
Hoffnungen auf diesen Helden. Die Berufung Hindenburgs und Ludendorffs an die
Spitze der Obersten Heeresleitung im August 1916 kam diesen Hoffnungen ent-
gegen. Dank des Glaubens an seine charismatischen Fähigkeiten verfügte Hinden-
burg in dieser Stellung über ein solches Gewicht, daß er weitreichende politische
Entscheidungen durchzusetzen vermochte. Dazu gehörte im Januar 1917 der
Beschluß, den unbeschränkten U-Boot-Krieg wieder aufzunehmen, obwohl die Ver-
einigten Staaten für diesen Fall ihren Kriegseintritt angekündigt hatten. Mit einer
einfachen Rücktrittsdrohung erreichte Hindenburg im Juli 1917, daß Wilhelm II.
den Reichskanzler Theobald von Bethmann Hollweg fallen ließ. Wie ein Zeitzeuge
berichtet, kommentierte der Kaiser diesen Eingriff in seine Rechte mit den Worten,
es sei wohl Zeit für ihn abzudanken, da zum ersten Mal em preußischer Monarch
durch seine Generäle gezwungen worden sei, etwas zu tun, was er nicht wolle17. Bei
anderer Gelegenheit erklärte Wilhelm, im Hauptquartier sei er „nur Adjutant von
Hindenburg und habe gar nichts zu sagen“18. Ähnlich wie im Verhältnis zwischen
Garibaldi und Viktor Emanuel II. standen zwei entgegengesetzte Arten von Legiti-
mität einander gegenüber: Der Kaiser suchte sich auf seine traditionelle dynastische
Legitimität zu stützen; Hindenburg dagegen verfügte über eine gewaltige plebiszitä-
re Legitimation. Wie sehr der Kaiser dadurch in seiner Dispositionsfreiheit einge-
schränkt wurde, zeigt die Feststellung des Oberbefehlshabers der dritten Armee,
Generaloberst von Emern, aus dem September 1916, für ihn sei es „ein schönes
Gefühl, daß Hindenburg und Ludendorff überhaupt unabsetzbar“ seien19.
Nicht anders, als Cavour es für seinen König erwogen hatte, überlegte auch
Wilhelm II.. wie er anstelle Hindenburgs selbst zum Helden werden könne. Im
Februar 1915 begründete er seine Absicht, auch nach der Winterschlacht in den
Masuren in Ostpreußen zu bleiben, mit der Bemerkung: „Ich will der Befreier von
16 Zit. nach: Groener-Geyer, Dorothea, General Groener. Soldat und Staatsmann, Frankfurt 1955,
S. 339.
17 Zit. nach: Pyta, Hindenburg, S. 283.
18 Görlitz, Walter (Hg.), Regierte der Kaiser? Kriegstagebücher, Aufzeichnungen und Briefe des
Chefs des Marine-Kabinetts Admiral Georg Alexander von Müller 1914—1918, Göttingen 1959,
28.5.1917,8. 289.
19 Zit. nach: Pyta, Hindenburg, S. 258.