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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2010 — 2011

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I. Das Geschäftsjahr 2010
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Gesamtsitzung am 23. Januar 20
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Rosenberg, Raphael: Dem Auge auf der Spur: Blickbewegungen beim Betrachten von Gemälden – historisch und empirisch
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https://doi.org/10.11588/diglit.55658#0068
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SITZUNGEN


Abb. 5: Darstellung der Fixationsclusters und der widerholten Clusterübergänge mit den selben
Daten wie bei Abb. 4.

Als Ordnung [...] betont das Neapler Bild mit größtem Nachdruck die von
links oben nach rechts unten fallende Diagonale, oder genauer, die Verbindung
einer Schar fallender Diagonalen mit einer Parabelkurve. Die fallende Diago-
nale ist in mehreren Parallelen durchgeführt [...]. Die Köpfe der sechs Blinden
aber sind sehr auffallend in einer Parabelkurve angeordnet, welche die zuneh-
mende Beschleunigung der Bewegung unübertrefflich zum Ausdruck bringt
und dem Sturz - rein anschaulich genommen - etwas Unausweichliches,Ver-
hängnisvolles, Notwendiges verleiht.11
Zusammenfassend können wir also festhalten, dass das Auge nicht mit gleitender
Bewegung systematisch einer Kompositionslinie nachgeht, wie es Kunsthistoriker
häufig annehmen. Es vollzieht jedoch die Komposition des Gemäldes, indem es
einerseits die für das Verständnis des Bildes zentralen Punkte immer wieder fixiert,
andererseits diese Punkte der Komposition des Gemäldes entsprechend immer wie-
der verknüpft. Wir nehmen also die Komposition dadurch wahr, dass das Auge durch
die Wiederholung bestimmter Fixationen und Sakkaden diese Komposition bzw.
Struktur ,,re-konstruiert“. Die Beschreibung von Blickbewegungen, wie sie Diderot
und zahllose Kunsthistoriker bis heute verwenden, ist also wörtlich genommen
falsch, sie bringt dennoch einen empirisch messbaren Sachverhalt zum Ausdruck.
Dass sie über Jahrhunderte hinweg so erfolgreich war, hat mindestens drei Gründe.

11 Hans Sedlmayr, Pieter Bruegel. Der Sturz der Blinden Paradigma einer Strukturanalyse, in: Hefte
des Kunsthistorischen Seminars der Universität München (2), 1957, S. 9.
 
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