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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2010 — 2011

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I. Das Geschäftsjahr 2010
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Wissenschaftliche Sitzungen
DOI Kapitel:
Sitzung der Phil.-hist. Klasse am 23. Juli 2010
DOI Artikel:
Thadden, Ernst-Ludwig von: Bankenzusammenbrüche und der Repo Markt aus spieltheoretischer Sicht
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https://doi.org/10.11588/diglit.55658#0090
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SITZUNGEN

Grund kollektiv glauben, dass die Bank nächste Periode ihr Zinsversprechen nicht
einhalten kann, werden sie vernünftigerweise nicht in die Bank investieren, sondern
ihre Mittel horten oder anderswo anlegen. Das Problem ist, dass solch kollektives Ver-
halten eine selbsterfüllende Prophezeiung darstellen kann. Wenn keiner in die Bank
investiert, dann hat die Bank keine neuen Mittel, um zu investieren, und hat dem-
entsprechend auch tatsächlich nichts zurückzuzahlen. Schlimmer noch, da die Bank
im Glauben auf die Refinanzierung durch die neue Generation von Anlegern ihre
liquiden Mittel investiert hat, kann sie die Ansprüche der Altanleger nicht befriedi-
gen und ist insolvent. In der Tat: die Bank hat liquide Mittel in Höhe von (1+R)N
aus der Investition von vor zwei Perioden, von denen sie N re-investiert hat. Die ver-
bleibenden RN werden im Allgemeinen nicht ausreichen, um die ausstehenden For-
derungen in Höhe von (l+r)N zu befriedigen. Zwar hat sie in ihren Büchern die
Investitionen der vergangenen und dieser Periode auf der Aktivseite, doch sind diese
vollständig illiquide und deswegen nicht geeignet, die Forderungen ihrer gegenwär-
tigen Investoren zu erfüllen. Da dies so ist, ist es nun in der Tat optimal für einzelne
Investoren der neuen Generation von Anlegern, nicht in die illiquide Bank zu inve-
stieren, da die Bank bankrott gehen und deswegen nächste Periode nichts mehr
zurückzahlen wird.
Das obige Argument ist in vielerlei Hinsicht stark vereinfacht und muss ver-
feinert werden, um wirklich robust zu sein. So ist zu fragen, ob die Insolvenz der
Bank wirklich nötig ist, da sie zwar illiquide ist, aber Vermögenswerte für die
Zukunft besitzt. Weiterhin besteht die Möglichkeit, Werte (vielleicht mit Abschlag)
zu verkaufen, um gegenwärtige Ansprüche zu befriedigen. Auch ist zu fragen, ob
die Bank nicht Vorsorge treffen kann gegen die Eventualität des Stimmungsum-
schwunges der Investoren. Diese und andere Überlegungen werden in der Arbeit
von Martin, Skeie und von Thadden (2010) in allgemeinerem Rahmen sorgfältig
durchgespielt. Das Argument ist robust und stellt einen klassischen Fall multipler
Gleichgewichte dar: wenn alle sich gemäß des „guten“ Gleichgewichtes verhalten,
dann ist es für den einzelnen ebenfalls optimal, sich so zu verhalten. Wenn sich aller-
dings die Erwartungen kollektiv ändern, ist es für jeden einzelnen optimal, sein
Verhalten ebenfalls zu ändern.
Im Ergebnis scheint diese Theorie eine ähnliche Vorhersage zu liefern wie die
These der irrationalen Herde, die kollektiv und unvorhersehbar in den Abgrund
rennt. Dies ist aber aus mehreren Gründen nicht der Fall. Erstens liefert die Theorie
eine Erklärung dafür, warum sich Marktteilnehmer in die Gefahr von Instabilitäten
begeben: das „gute“ Gleichgewichte liefert eine bessere Allokation als das Schließen
der Märkte. Zweitens erlaubt die Theorie es, an Hand der Parameter des Modells
Vorhersagen zu machen, wann multiple Gleichgewichte auftreten und wann dies
nicht der Fall ist. Insbesondere macht die Theorie Vorhersagen darüber, welche Ban-
ken in der Gefahr sind, von plötzlichen Erwartungsänderungen zu Fall gebracht zu
werden und aus welchen Gründen. Drittens zeigt das Modell den Mechanismus auf,
der Banken im Fall von Erwartungsänderungen zu Fall bringt, und kann deswegen
vertragliche und wirtschaftspolitische Eingriffe diskutieren, die diese Mechanismen
konterkarieren. Und viertens erlaubt das Modell die Beschreibung: verschiedener
 
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