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SITZUNGEN
men Mitglied unterstützt. Erst vom Dezember 1937 an waren reguläre Sitzungen in
dieser Klasse möglich, nachdem die letzten Juden aus der Akademie ausgetreten
waren. R. Kuhn insistierte 1938 (und das ist gut belegt) auf einer Satzungsänderung
der Akademie, die eine Zuwahl von Juden für die Zukunft ausschloss. Erst nachdem
1938 eine solche Satzung erlassen wurde, die jede Zuwahl von der Genehmigung
des Ministers abhängig machte und damit die Zuwahl von Juden ausschloss, war er
bereit, wieder bei den Sitzungen der Akademie zu erscheinen. U. Wennemuth ist
sich dessen sicher, dass R. Kuhn das fünfte anonyme Mitglied war, das neben den
vier bekannten Nationalsozialisten die Sitzungen seit 1935 bestreikt hat, das aber
seinen Streik auch dann noch ein Jahr lang fortsetzte, als ihn die anderen vier schon
beendet hatten.
Sein Vorgehen in der Akademie entspricht seinem Handeln im Kaiser-
Wilhelm-Institut für medizinische Forschung. Dort hatte er 1933 alle jüdischen Mit-
arbeiter entlassen, sie aber nach Auskunft seines Sohnes danach mit Honorarverträ-
gen wieder eingestellt. 1936 denunzierte er drei jüdische Mitarbeiter in der Abtei-
lung seines Kollegen O. Meyerhof am Kaiser-Wilhelm-Institut beim Generalsekretär
der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft Friedrich Glum. O. Meyerhof, selbst Jude, hatte
diese jüdischen Mitarbeiter eingestellt und in den Personalbögen ihre nicht-arische
Herkunft verschwiegen. R. Kuhn forderte die Kaiser-Wilhelm -Gesellschaft auf, ihn
zur korrekten Ausfüllung der Personalbögen zu veranlassen. Das war eine Intrige
gegen Meyerhof, der ebenfalls em Akademiemitglied war und gerade in dieser Zeit
unter Druck stand, freiwillig den Sitzungen der Akademie fern zu bleiben.
Es ergibt sich folgendes Bild: Richard Kuhn betrieb die Vertreibung von jüdi-
schen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen in den beiden Institutionen, in
denen sie auch nach ihrer Entlassung aus der Universität noch eine Zeit lang eine
Nische finden konnten. Es ist m.E. ausgeschlossen, dass er in Gestalt einer Büste
einen Ehrenplatz bei unseren Sitzungen hat.
WISSENSCHAFTLICHE SITZUNG
HERR FRIEDRICH QUACK HALT EINEN VORTRAG:
„Zauberhaftes aus der Florentiner Papyrussammlung“
Inhalt des Vortrags waren zwei Papyri, die ich bei einem Forschungsaufenthalt in der
Sammlung des Istituto Papirologico G.Vitelli in Florenz im März 2010 identifizie-
ren konnte. Sie gehören zu einem großen Bestand von Papyri aus dem wichtigen
Fundort Tebtynis, die aus den Grabungen von Carlo Anti 1931 stammen und vor
allem ms 2. Jahrhundert n.Chr. datieren. Bei beiden handelt es sich um Texte, die
nach gängiger Terminologie als „magisch“ eingestuft werden. Konkreter sind es
Kompositionen, die Handlungsanweisungen und Rezitationen kombinieren und
dabei anstreben, unter Hinzuziehung höherer Mächte eine Wirkung zugunsten
lebender menschlicher Nutznießer zu erzielen, die über den Bereich normaler All-
tagstechnik hinausgeht. Beide Papyri sind nur mäßig erhalten, doch lassen die
SITZUNGEN
men Mitglied unterstützt. Erst vom Dezember 1937 an waren reguläre Sitzungen in
dieser Klasse möglich, nachdem die letzten Juden aus der Akademie ausgetreten
waren. R. Kuhn insistierte 1938 (und das ist gut belegt) auf einer Satzungsänderung
der Akademie, die eine Zuwahl von Juden für die Zukunft ausschloss. Erst nachdem
1938 eine solche Satzung erlassen wurde, die jede Zuwahl von der Genehmigung
des Ministers abhängig machte und damit die Zuwahl von Juden ausschloss, war er
bereit, wieder bei den Sitzungen der Akademie zu erscheinen. U. Wennemuth ist
sich dessen sicher, dass R. Kuhn das fünfte anonyme Mitglied war, das neben den
vier bekannten Nationalsozialisten die Sitzungen seit 1935 bestreikt hat, das aber
seinen Streik auch dann noch ein Jahr lang fortsetzte, als ihn die anderen vier schon
beendet hatten.
Sein Vorgehen in der Akademie entspricht seinem Handeln im Kaiser-
Wilhelm-Institut für medizinische Forschung. Dort hatte er 1933 alle jüdischen Mit-
arbeiter entlassen, sie aber nach Auskunft seines Sohnes danach mit Honorarverträ-
gen wieder eingestellt. 1936 denunzierte er drei jüdische Mitarbeiter in der Abtei-
lung seines Kollegen O. Meyerhof am Kaiser-Wilhelm-Institut beim Generalsekretär
der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft Friedrich Glum. O. Meyerhof, selbst Jude, hatte
diese jüdischen Mitarbeiter eingestellt und in den Personalbögen ihre nicht-arische
Herkunft verschwiegen. R. Kuhn forderte die Kaiser-Wilhelm -Gesellschaft auf, ihn
zur korrekten Ausfüllung der Personalbögen zu veranlassen. Das war eine Intrige
gegen Meyerhof, der ebenfalls em Akademiemitglied war und gerade in dieser Zeit
unter Druck stand, freiwillig den Sitzungen der Akademie fern zu bleiben.
Es ergibt sich folgendes Bild: Richard Kuhn betrieb die Vertreibung von jüdi-
schen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen in den beiden Institutionen, in
denen sie auch nach ihrer Entlassung aus der Universität noch eine Zeit lang eine
Nische finden konnten. Es ist m.E. ausgeschlossen, dass er in Gestalt einer Büste
einen Ehrenplatz bei unseren Sitzungen hat.
WISSENSCHAFTLICHE SITZUNG
HERR FRIEDRICH QUACK HALT EINEN VORTRAG:
„Zauberhaftes aus der Florentiner Papyrussammlung“
Inhalt des Vortrags waren zwei Papyri, die ich bei einem Forschungsaufenthalt in der
Sammlung des Istituto Papirologico G.Vitelli in Florenz im März 2010 identifizie-
ren konnte. Sie gehören zu einem großen Bestand von Papyri aus dem wichtigen
Fundort Tebtynis, die aus den Grabungen von Carlo Anti 1931 stammen und vor
allem ms 2. Jahrhundert n.Chr. datieren. Bei beiden handelt es sich um Texte, die
nach gängiger Terminologie als „magisch“ eingestuft werden. Konkreter sind es
Kompositionen, die Handlungsanweisungen und Rezitationen kombinieren und
dabei anstreben, unter Hinzuziehung höherer Mächte eine Wirkung zugunsten
lebender menschlicher Nutznießer zu erzielen, die über den Bereich normaler All-
tagstechnik hinausgeht. Beide Papyri sind nur mäßig erhalten, doch lassen die