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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2010 — 2011

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I. Das Geschäftsjahr 2010
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Mitarbeitervortragsreihe "Wir forschen. Für Sie"
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Thomsen-Fürst, Rüdiger: „ . . . unsere wonneduftende Flöte. . .“: Überlegungen zur Kammermusik mit Flöte am Hofe Carl Theodors in Mannheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.55658#0161
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8. Juli 2010 i 177

Immerhin hatten von den insgesamt 14 genannten hochgeborenen Musikern und
Musikerinnen vier, also knapp ein Drittel die Flöte (König von Preussen, König von
England, Carl Theodor und Carl Friedrich von Baden) zu ihrem Instrument
gemacht. Die Liste der blaublütigen Flötisten ließe sich problemlos verlängern: zu
nennen wären beispielsweise Herzog Ludwig Rudolf von Braunschweig-Lüneburg,
Herzog Christian IV von Zweibrücken, Johann Friedrich von Schwarzburg-Rudol-
stadt, Ludwig Wilhelm Fürst zu Bentheim-Steinfurt oder Anna Amalia von Sachsen-
Weimar.
Die Gründe für den Siegeszug des Instruments zu Beginn des 18. Jahrhunderts
waren vielfältig. Gegenüber anderen Instrumenten war die Flöte einfach zu handha-
ben und ließ sich leicht an jeden beliebigen Ort transportieren. Verschleißteile, wie
etwa Rohrblätter oder Saiten, die man beständig ersetzen musste, waren nicht vor-
handen. Außerdem entsprach die Traversflöte dem ästhetischen Ideal der Zeit, für
Reinecke ist sie in der Konsequenz eine Metapher einer neuen Weitsicht:
Die Traversflöte hatte im 18. Jahrhundert von der „Querpfeiffen [...] “ [...] einem eher
rohen Instrument von Bauern und Landsknechten, in der naturorientierten Ideenwelt
von Bukolik und Landidylle eine symbolträchtige Umdeutung erfahren, die mit einer
deutlichen klanglichen Veränderung einherging: Die Weichheit des Klanges und „natur-
gemäße“ Verwendung machten sie zu einer Metapher von Empfindsamkeit und
„Natur“, die Flute traversiere färbte über die Musik hinaus den Charakter einer neuen
Weitsicht.22 23
Christian Friedrich Daniel Schubart benennt in seinen Ideen zu einer Ästhetik der Ton-
kunst die Flöte als Herrscherinstrument:
Die grössten Fürsten, wie Friedrich der Grosse, und der Churfürst Carl Theodor von
PJälzbayern, haben diess Instrument zu ihrem Lieblinge gewählt, und die trefflichsten
Flötenspieler an ihren Höfen unterhalten. [...] Da man sie leichter als ein anderes
Instrument überall mit sich herumführen kann, so ist dadurch heutiges Tages die zahllo-
se Menge von Dilettanten auf der Flöte entstanden.22
Auch in Mannheim wurde die Flöte als idealtypisches Instrument der arkadischen
Schäferwelt angesehen, wie Georg Joseph Voglers Ausführungen im Artikel ,,Flöte“
der Deutschen Encyclopädie belegen.
Diese unsere wonneduftende Flöte ist das in der Musik, was man in der Malerey den
Ton nennet, der einer Landschaft bey schönem duftigen Herbstwetter zukömmt, der das
Sanfte und Gefällige einer Gemüthsart characterisirt, [...]. Die Flöte ist kein Hirten =
aber ein Schäferinstrument, sie schickt sich zu keiner Bauernstimme; denn hier sind
die kleine Flötchen und andere Pfeifen passender angebracht, sie aber ist das Mittel,

22 Reinecke, ,,Mutmaßungen über das Flötenspiel Friedrichs des Großen“, S. 399.
23 Christian Friedrich Daniel Schubart, Ideen zu einer Ästhetik der Tonkunst, herausgegeben von Fritz
und Margrit Kaiser , Hildesheim [u.a.] 1990, S. 324 325.
 
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