23. November 2010
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treffen von Assisi (1986; 2002). Verschiedene internationale Bewegungen (SanfEgi-
dio, die Focolar-Bewegung u.a.) fuhren seine Ideen mit großem Engagement und
regelmäßigen internationalen und interreligiösen Treffen fort. Ähnliche Bemühun-
gen gibt es auf der Ebene der nationalen Bischofskonferenzen, wie auf der Ebene des
Weltrats der Kirchen, der Konferenz Europäischer Kirchen, der Evangelischen Kirche in
Deutschland, der anglikanischen Gemeinschaft, des ökumenischen Patriarchats von
Konstantinopel oder des russisch-orthodoxen Patriarchats von Moskau. Dazu wie-
derum gibt es von allen Seiten und in allen wichtigen Sprachen eine nicht mehr
überschaubare Literatur.4
Dieser Dialog wird von allen beteiligten Kirchen als die letztlich einzig sinn-
volle Alternative betrachtet um einen von manchen prognostizierten Zusammenstoß
der Kulturen (S. Ph. Huntington) zu vermeiden. Dabei will der Dialog nicht Mission
mit anderen Mitteln sein; es geht nicht — wenn man so sagen will — um Werbung für
den eigenen Glauben sondern um Verständigung auf das Gemeinsame und um die
Förderung des Gemeinsamen. Förderung bedeutet, dass der interreligiöse Dialog —
soweit es die Kirchen betrifft - keine rem akademische Angelegenheit ist, wie es die
Disziplin der vergleichenden Religionswissenschaft ist. Der Dialog sucht auf die
neue Situation der Menschheit auch praktisch zu reagieren durch Abbau von
Gewaltpotenzialen, von Missverständnissen und von Misstrauen und durch den Auf-
bau von gegenseitigen Verstehen und gegenseitigem Respekt und durch Zusam-
menarbeit für soziale Gerechtigkeit, für Toleranz, Frieden, Freiheit. Denn ohne Reli-
gionsfrieden ist nach einem geflügelt gewordenen Wort von Hans Küng, Weltfriede
nicht möglich?
Wenn man sich in einen solchen Dialog einlässt, muss man freilich wissen: Dia-
log setzt mehr voraus, als bloße Toleranz. Der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende,
Bischof Huber, hat an ein Wort Goethes erinnert: „Dulden heißt Beleidigen.“ Denn
bloße Toleranz in dem Verständnis, wie es heute verbreitet ist, verweigert dem Wahr-
heitsanspruch des anderen und damit auch dem religiösen Anspruch des anderen den
Respekt; und erhebt umgekehrt selbst keinen Wahrheitsanspruch und zeigt damit
4 Deutschsprachige katholische Literatur: K. Rahner, Das Christentum und die nichtchristlichen
Religionen, in: Schriften zur Theologie, Einsiedeln 1962, 136—258; W Kasper (Hg.), Absolutheit
des Christentums (QD 79 Freiburg i. Br. 1977; H. Waldenfels, Begegnung der Religionen, Bonn
1990; M. von der Brück und J.Werbick (Hg.), Der einzige Weg zum Heil? (QD 143), Freiburg
i.Br. 1993; B. Stubenrauch, Dialogisches Dogma. Der christliche Auftrag zur interreligiösen
Begegnung (QD 158), Freiburg i. Br. 1995; H. Bürkle, Der Mensch auf der Suche nach Gott. Die
Frage der Religionen, Paderborn 1996; R. Schwager (Hg.), Relativierung der Wahrheit? Die
Herausforderung des christlichen Absolutheitsanspruchs durch pluralistische Religionstheologi-
en (QD 170), Freiburg i. Br. 1998; G. Müller-M. Serretti (Hg.), Einzigkeit und Universalität Jesu
Christi, Einsiedeln 2001;J. Ratzinger; Glaube — Wahrheit — Toleranz. Das Christentum und die
Weltreligionen, Freiburg i. Br. 2003; K. Lehmann (Hg.),Weltreligionen.Verstehen-Verständigung-
Verantwortung, Frankfurt a. M.- Leipzig 2009; J. Depuis, Unterwegs zu einer christlichen Theo-
logie des religiösen Pluralismus, Innsbruck 2010.
’ H. Küng, Projekt Weltethos, München 1990; Ja zum Weltethos, Perspektiven für die Suche nach
Orientierung, München, 1996.
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treffen von Assisi (1986; 2002). Verschiedene internationale Bewegungen (SanfEgi-
dio, die Focolar-Bewegung u.a.) fuhren seine Ideen mit großem Engagement und
regelmäßigen internationalen und interreligiösen Treffen fort. Ähnliche Bemühun-
gen gibt es auf der Ebene der nationalen Bischofskonferenzen, wie auf der Ebene des
Weltrats der Kirchen, der Konferenz Europäischer Kirchen, der Evangelischen Kirche in
Deutschland, der anglikanischen Gemeinschaft, des ökumenischen Patriarchats von
Konstantinopel oder des russisch-orthodoxen Patriarchats von Moskau. Dazu wie-
derum gibt es von allen Seiten und in allen wichtigen Sprachen eine nicht mehr
überschaubare Literatur.4
Dieser Dialog wird von allen beteiligten Kirchen als die letztlich einzig sinn-
volle Alternative betrachtet um einen von manchen prognostizierten Zusammenstoß
der Kulturen (S. Ph. Huntington) zu vermeiden. Dabei will der Dialog nicht Mission
mit anderen Mitteln sein; es geht nicht — wenn man so sagen will — um Werbung für
den eigenen Glauben sondern um Verständigung auf das Gemeinsame und um die
Förderung des Gemeinsamen. Förderung bedeutet, dass der interreligiöse Dialog —
soweit es die Kirchen betrifft - keine rem akademische Angelegenheit ist, wie es die
Disziplin der vergleichenden Religionswissenschaft ist. Der Dialog sucht auf die
neue Situation der Menschheit auch praktisch zu reagieren durch Abbau von
Gewaltpotenzialen, von Missverständnissen und von Misstrauen und durch den Auf-
bau von gegenseitigen Verstehen und gegenseitigem Respekt und durch Zusam-
menarbeit für soziale Gerechtigkeit, für Toleranz, Frieden, Freiheit. Denn ohne Reli-
gionsfrieden ist nach einem geflügelt gewordenen Wort von Hans Küng, Weltfriede
nicht möglich?
Wenn man sich in einen solchen Dialog einlässt, muss man freilich wissen: Dia-
log setzt mehr voraus, als bloße Toleranz. Der ehemalige EKD-Ratsvorsitzende,
Bischof Huber, hat an ein Wort Goethes erinnert: „Dulden heißt Beleidigen.“ Denn
bloße Toleranz in dem Verständnis, wie es heute verbreitet ist, verweigert dem Wahr-
heitsanspruch des anderen und damit auch dem religiösen Anspruch des anderen den
Respekt; und erhebt umgekehrt selbst keinen Wahrheitsanspruch und zeigt damit
4 Deutschsprachige katholische Literatur: K. Rahner, Das Christentum und die nichtchristlichen
Religionen, in: Schriften zur Theologie, Einsiedeln 1962, 136—258; W Kasper (Hg.), Absolutheit
des Christentums (QD 79 Freiburg i. Br. 1977; H. Waldenfels, Begegnung der Religionen, Bonn
1990; M. von der Brück und J.Werbick (Hg.), Der einzige Weg zum Heil? (QD 143), Freiburg
i.Br. 1993; B. Stubenrauch, Dialogisches Dogma. Der christliche Auftrag zur interreligiösen
Begegnung (QD 158), Freiburg i. Br. 1995; H. Bürkle, Der Mensch auf der Suche nach Gott. Die
Frage der Religionen, Paderborn 1996; R. Schwager (Hg.), Relativierung der Wahrheit? Die
Herausforderung des christlichen Absolutheitsanspruchs durch pluralistische Religionstheologi-
en (QD 170), Freiburg i. Br. 1998; G. Müller-M. Serretti (Hg.), Einzigkeit und Universalität Jesu
Christi, Einsiedeln 2001;J. Ratzinger; Glaube — Wahrheit — Toleranz. Das Christentum und die
Weltreligionen, Freiburg i. Br. 2003; K. Lehmann (Hg.),Weltreligionen.Verstehen-Verständigung-
Verantwortung, Frankfurt a. M.- Leipzig 2009; J. Depuis, Unterwegs zu einer christlichen Theo-
logie des religiösen Pluralismus, Innsbruck 2010.
’ H. Küng, Projekt Weltethos, München 1990; Ja zum Weltethos, Perspektiven für die Suche nach
Orientierung, München, 1996.