190 | VERANSTALTUNGEN
Damit ist em Begriff gefallen, der einem säkularen Denken und Wirklichkeitsver-
ständnis fremd geworden ist. Deshalb wird von einem säkularen Denken ausgehend
oft der Versuch unternommen, Religion auf den rein privaten und persönlichen
Bereich zu begrenzen. Das ist für keine Religion möglich, weil jede Religion unlös-
bar mit Deutungen des Gesamten der Wirklichkeit verbunden ist Die Religionen
sind deshalb jeweils mit einer bestimmten Kultur, d.h. einer bestimmten Gestaltung
des persönlichen wie des gesellschaftlichen Lebens verbunden. Deshalb können
Religionen Gegenstand religions-soziologischer Forschung und Theoriebildung sein
(E. Dürkheim, M. Weber,Th. Luckmann, N. Luhmann u. a.).
Religionen stellen gesellschaftliche Ansprüche, die in Konflikt miteinander
geraten können. Damit haben wir Europäer in unserer Geschichte leidvolle Erfah-
rungen gemacht, aus denen wir freilich etwas gelernt haben, das wir heute als eine
der wichtigsten Errungenschaften unserer Kultur betrachten: Religionsfreiheit als
Grundlage unserer freiheitlichen Verfassungs- und Rechtssysteme und als Grund-
lage einer gesellschaftlichen Friedensordnung. Die Grundlage der Religionsfreiheit
ist nicht die Gleichgültigkeit gegenüber der anderen Religion, sondern der Respekt
vor der anderen Religion und damit der Versuch eines friedlichen Zusammen-
lebens.
Diese positive Religionsfreiheit ist die Grundvoraussetzung für den interreli-
giösen Dialog. Sie beinhaltet nicht nur das Recht auf persönliche religiöse Über-
zeugung (Gewissensfreiheit), welche die Freiheit des Religionswechsels einschließt,
sondern auch auf deren öffentliche Ausübung, freilich in einer Weise, dass damit der
öffentliche Friede (und damit die Freiheit anderer) nicht gefährdet wird.
In diesem Sinn gewähren wir Religionsfreiheit selbstverständlich anderen
Religionen, welche inzwischen bei uns sind. Aber in vielen von deren Herkunfts-
ländern wird den Christen, die dort sind, die Religionsfreiheit nicht gewährt. Als
Theologe darf man und muss man ehrlicher Weise auf die Schwierigkeiten hinwei-
sen, welche Christen gegenwärtig zunehmend in anderen Kulturen, vor allem (aber
nicht nur) besonders in Ländern mit muslimischer Mehrheit, haben. Es gibt Antise-
mitismus, den wir entschieden verurteilen, es gibt Islamophobie, gegen die wir uns
ebenso entschieden werden sollten, es gibt aber auch Christophobie, die ebenfalls
nicht geduldet werden sollte. Der Respekt vor der Religion und Kultur des anderen
und die Freiheit für den anderen, seine Religion zu leben, ist die Grundvorausset-
zung für den interreligiösen Dialog und für den Frieden in der Welt.
Unterscheidung und Offenheit des Christlichen — Drei Aspekte
Diese Voraussetzungen geklärt müssen, wir uns nun in einem zweiten Schritt der
Frage zuwenden: Was kann bei dieser Komplexität der Dinge interreligiöser Dialog
meinen und wie kann er möglich sein? Angesichts des bisher Gesagten lässt sich die
Antwort auf diese Frage nicht allgemein als eine neutrale Theorie des interreligiö-
sen Dialogs, sondern nur auf der Grundlage einer bestimmten persönlichen Option
bzw. Position geben. Deshalb kann ich diese Frage nur aus christlicher Sicht zu
beantworten suchen, nicht aus islamischer oder buddhistischer Sicht. Aus christlicher
Damit ist em Begriff gefallen, der einem säkularen Denken und Wirklichkeitsver-
ständnis fremd geworden ist. Deshalb wird von einem säkularen Denken ausgehend
oft der Versuch unternommen, Religion auf den rein privaten und persönlichen
Bereich zu begrenzen. Das ist für keine Religion möglich, weil jede Religion unlös-
bar mit Deutungen des Gesamten der Wirklichkeit verbunden ist Die Religionen
sind deshalb jeweils mit einer bestimmten Kultur, d.h. einer bestimmten Gestaltung
des persönlichen wie des gesellschaftlichen Lebens verbunden. Deshalb können
Religionen Gegenstand religions-soziologischer Forschung und Theoriebildung sein
(E. Dürkheim, M. Weber,Th. Luckmann, N. Luhmann u. a.).
Religionen stellen gesellschaftliche Ansprüche, die in Konflikt miteinander
geraten können. Damit haben wir Europäer in unserer Geschichte leidvolle Erfah-
rungen gemacht, aus denen wir freilich etwas gelernt haben, das wir heute als eine
der wichtigsten Errungenschaften unserer Kultur betrachten: Religionsfreiheit als
Grundlage unserer freiheitlichen Verfassungs- und Rechtssysteme und als Grund-
lage einer gesellschaftlichen Friedensordnung. Die Grundlage der Religionsfreiheit
ist nicht die Gleichgültigkeit gegenüber der anderen Religion, sondern der Respekt
vor der anderen Religion und damit der Versuch eines friedlichen Zusammen-
lebens.
Diese positive Religionsfreiheit ist die Grundvoraussetzung für den interreli-
giösen Dialog. Sie beinhaltet nicht nur das Recht auf persönliche religiöse Über-
zeugung (Gewissensfreiheit), welche die Freiheit des Religionswechsels einschließt,
sondern auch auf deren öffentliche Ausübung, freilich in einer Weise, dass damit der
öffentliche Friede (und damit die Freiheit anderer) nicht gefährdet wird.
In diesem Sinn gewähren wir Religionsfreiheit selbstverständlich anderen
Religionen, welche inzwischen bei uns sind. Aber in vielen von deren Herkunfts-
ländern wird den Christen, die dort sind, die Religionsfreiheit nicht gewährt. Als
Theologe darf man und muss man ehrlicher Weise auf die Schwierigkeiten hinwei-
sen, welche Christen gegenwärtig zunehmend in anderen Kulturen, vor allem (aber
nicht nur) besonders in Ländern mit muslimischer Mehrheit, haben. Es gibt Antise-
mitismus, den wir entschieden verurteilen, es gibt Islamophobie, gegen die wir uns
ebenso entschieden werden sollten, es gibt aber auch Christophobie, die ebenfalls
nicht geduldet werden sollte. Der Respekt vor der Religion und Kultur des anderen
und die Freiheit für den anderen, seine Religion zu leben, ist die Grundvorausset-
zung für den interreligiösen Dialog und für den Frieden in der Welt.
Unterscheidung und Offenheit des Christlichen — Drei Aspekte
Diese Voraussetzungen geklärt müssen, wir uns nun in einem zweiten Schritt der
Frage zuwenden: Was kann bei dieser Komplexität der Dinge interreligiöser Dialog
meinen und wie kann er möglich sein? Angesichts des bisher Gesagten lässt sich die
Antwort auf diese Frage nicht allgemein als eine neutrale Theorie des interreligiö-
sen Dialogs, sondern nur auf der Grundlage einer bestimmten persönlichen Option
bzw. Position geben. Deshalb kann ich diese Frage nur aus christlicher Sicht zu
beantworten suchen, nicht aus islamischer oder buddhistischer Sicht. Aus christlicher