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Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2010 — 2011

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I. Das Geschäftsjahr 2010
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Antrittsreden
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Schäfer, Thomas: Antrittsrede von Herrn Thomas Schäfer an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 17. April 2010
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https://doi.org/10.11588/diglit.55658#0201
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Thomas Schäfer

217

Nach Vertretungen in Hamburg und Kiel erfolgte 1997 em Ruf an die Uni-
versität Greifswald, der ein völlig neues Aufgabenfeld mit sich brachte, das natur-
gemäß sehr viel stärker in der Lehre und der Verwaltung lag. Wissenschaftlich sind
zwei Projekte hervorzugeben. Schon zuvor hatte ich in einer Arbeit gezeigt, dass
griechische Plastik ursprünglich nicht nur farbig, sondern häufig auch mit Bronze-
zutaten versehen war, die freilich heute verschwunden sind. In Greifswald bot sich
nun die Gelegenheit einer praktischen Rekonstruktion, in Rostock und Tübingen
sind einige Ergebnisse dieser Arbeiten heute in den Sammlungen antiker Gipsabgüsse
zu sehen.
Noch wesentlicher für meinen persönlichen Werdegang war eine persönliche
Zusatzorientierung. Während eines Aufenthalts auf der Insel Pantelleria, die zwischen
Sizilien und Tunesien liegt, erhielt ich das Angebot, die punisch-römische Haupt-
siedlung der Insel archäologisch zu erforschen. Ich griff sofort zu und im Jahre 2000
begann zusammen mit meinem Kollegen und Freund Massimo Osanna von der
Universität der Basilicata (Italien) eine bis heute andauernde, fruchtbare Zeit von
Grabungen auf der Akropolis von Pantelleria. Die Finanzierung ist der Gerda-
Henkel-Stiftung sowie der DFG zu verdanken.
Trotz gewisser Grabungserfahrung war für mich die Leitung eines solchen
Unternehmens zunächst recht ungewohnt, und es brauchte für mich als Bildwissen-
schaftler einige Zeit, bis ich mich in den neuen Aufgaben und Fragestellungen
zurecht fand. Mein persönlicher Gewinn war freilich enorm, weil sich mir jetzt ganz
andere, spannende Bereiche erschlossen, die ich vorher nur theoretisch kannte, aber
nicht in ihrer praktischen Bedeutung für archäologisch relevante Aussagen. Hatte ich
bislang Keramik vor allem im Hinblick als Träger kunst- und inhaltsvoller Bilder und
Botschaften gesehen, waren wir jetzt mit ungeheueren Mengen von Gebrauchskera-
mik und Transportamphoren konfrontiert. Diese erlaubten nun Aussagen von ganz
anderer Qualität über das tägliche Leben, Handel und wirtschaftliche Zusammen-
hänge. Hinzu kam, dass die Beschäftigung mit einer punischen Siedlung zu Fragen
von Akkulturationsprozessen führte, die auf Kontakten und Transfers mit der grie-
chisch-römischen Leitkultur im Mittelmeer beruhen. Für die zahlreichen Inschrift-
funde konnte ich als Bearbeiter Geza Alföldy gewinnen, der wie stets mit Bravour
aus wenigen Buchstaben bedeutende historische Zeugnisse zauberte. Der Glücks-
fund dreier perfekt erhaltener römischer Porträts, nämlich von C. lulius Caesar,
Antonia minor und Kaiser Titus, war natürlich sehr publikumswirksam und machte
die Grabung weithin bekannt. Die Köpfe gehören zu den am weitesten gereisten
Objekten überhaupt, von Washington nach Peking, von Paris nach Tokyo und von
Hamburg nach London (freilich waren sie 2003 auch in Tübingen).
Ausgehend von den zahlreichen antiken Zisternen in Pantelleria führen wir
gemeinsam mit der Hochschule Karlsruhe ein wasserwirtschaftliches Projekt durch,
das vom BMBF inzwischen im 3. Jahr gefordert wird. Dabei geht es um die Unter-
suchung antiker hydraulischer Mörtel mit analytischen und numerischen Methoden
aus der modernen Baustoffforschung. Ziel ist es, wesentliche historische und archäo-
logische Fragen wie Nutzungsdauer und Datierung von Wasserbauten oder zum
Transfer von Mörteltechnologien zu beantworten.
 
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