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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2010 — 2011

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III. Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses
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A. Die Preisträger
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Walter-Witzenmann-Preis 2010
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Philipp Stockhammer: „Kontinuität und Wandel – Die Keramik der Nachpalastzeit aus der Unterstadt von Tiryns“
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https://doi.org/10.11588/diglit.55658#0315
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Die Preisträger | 331

Verwaltungssystems in der Nachpalastzeit zu einem neuen dialektischen Verhältnis
zwischen Produzent und Konsumenten. Die Orientierung an einer heterogenen
Kundschaft hatte eine Vielfalt neuer Bemalungsschemata und die Übernahme und
Produktion fremder Keramikformen in einheimischen Waren zur Folge.
Einen Großteil meiner Arbeit nimmt die Präsentation und die kontextuelle
und soziale Interpretation der keramischen Funde aus den Ausgrabungen inTiryns-
Stadt Nordost ein. Ich frage, wie individuelle und kollektive Identitäten anhand
materieller Objekte und innerhalb performativer Praktiken generiert und kommu-
niziert wurden. Der Wandel des Gesellschaftssystems von der Palast- zur Nachpalast-
zeit hatte nämlich auch eine Neubewertung der symbolischen Bedeutung materiel-
ler Kultur zur Folge, die in der Nachpalastzeit gezielt im Wettbewerb zum Erwerb
bzw. der Erhaltung von Machtpositionen eingesetzt wurde.
Unter der Vielzahl importierter, ortsfremder Keramikwaren inTiryns sind die
sogenannten kretischen Transportbügelkannen (Abb. 1) von besonderem Interesse,
für die ich einen deutlichen Bedeutungswandel aufzeigen kann: Während diese
Gefäße in der Palastzeit als Behältnisse kretischer Tribute in palatialen Räumlichkei-
ten unter Verschluss gehalten wurden, platzierten die Bewohner von Stadt-Nordost
in der zweiten Siedlungsphase eines der wenigen nachpalastzeitlichen Exemplare
direkt im öffentlichen Raum vor dem eigenen Wohnraum, um die Fernkontakte der
Familie zur Schau zu stellen. Aus einem Vorratsgefäß wurde em Interaktionsmarker.
Aufschlussreich ist auch die räumliche Verteilung der sogenannten handgemachten
geglätteten Keramik, die ich als ethnischen Marker für die sozialen Räume unterita-
lischer Migranten im spätbronzezeitlichen Tiryns herausstelle. Die räumliche Vertei-
lung der handgemachten geglätteten Keramik zeigt, dass die Einwanderer oder
zumindest ihre materielle Kultur in der späten Palast- und der frühen Nachpalastzeit
kontinuierlich gezielt von öffentlichen und privaten, repräsentativen Kontexten fern-
gehalten wurden. Die Funde der handgemachten geglätteten Keramik konzentrie-
ren sich auf Kontexte von Küche und Vorratshaltung. Es bleibt zu fragen, ob sich hier
eine Beschäftigung von Migranten in den Küchen mykemscher Haushalte wider-
spiegelt.
Des Weiteren untersuche ich kontrastiv die Rolle von Keramik beim Gelage
in der späten Palast- und der frühen Nachpalastzeit. Mein Schwerpunkt liegt hierbei
auf der Keramik der Siedlungsphasen 1 und 2 von Stadt-Nordost, die ganz neuarti-
ge Einblicke in die Bedeutung materieller Kultur am Beginn der Nachpalastzeit
ermöglicht. In Phase 1 von Stadt-Nordost wird dies durch das Auftreten fast voll-
ständiger, jedoch z.T über 100 Jahre alter Gefäße im Keramikinventar deutlich. Ich
argumentiere, dass entsprechende Gefäße höchstwahrscheinlich am Beginn der
Nachpalastzeit aus alten Kammergräbern der Umgebung entnommen und in das
Gelagegeschirr reintegriert wurden, um alte familiäre Traditionen zu illustrieren bzw.
zu konstruieren. In den Siedlungen dürften die großformatigen Keramikgefäße näm-
lich das Erdbeben kaum überstanden haben; sie gehörten sicherlich nicht zu den
Objekten, die man bei der Flucht aus einstürzenden Häusern mitnahm. Aus Phase 2
von Stadt-Nordost liegt der in Architektur und Ausstattung auffällige Raum 8/00
vor, der sich aufgrund verschiedener Merkmale als Wohn- und Repräsentativbau
 
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