Das WIN-Kolleg | 369
Zellpolarität in Vertebraten. Bei der Induktion von Migrationsbewegungen werden
epitheliale Zellverbände von einer apikal-basalen Polarität umorganisiert in eine
bipolare Polarität, welche für Wanderungsbewegungen nötig ist. Solche Interaktio-
nen mechanischer und biophysikalischer Prozesse lassen sich mit Hilfe mathemati-
scher Methoden und Computersimulationen beschreiben. Der Einsatz theoretischer
Methoden ist insbesondere dann notwendig, wenn die Interpretation experimentell
erhobener Daten eine gewisse Komplexität übersteigt. Obwohl eine Vielzahl von
Morphogenen bekannt ist, gibt es nur wenige Erkenntnisse darüber, welcher genaue
Zusammenhang zwischen der Morphogen-Verteilung (Konzentration/Gradient)
und der Zellmechanik (Form, Steifigkeit der Zellen) besteht. Dies liegt darin
begründet, dass selbst für einfache Zusammenhänge die resultierende Gewebegeo-
metrie das Resultat eines komplexen Zusammenspiels zwischen Zellmechanik und
Morphogen-Verteilungen in unterschiedlichen Gewebeschichten auf unterschiedli-
chen Skalen ist. In der vorliegenden Studie nutzen wir eine enge Verzahnung von
mathematischem Modell und experimentellen Daten dazu, basale Zusammenhänge
zwischen der Verteilung von Morphogenen (Wnt) in verschiedenen Hydra-Gewebe-
schichten und dem daraus resultierenden dreidimensionalen Symmetriebruch zu
analysieren. In der mathematischen Modellierung bedeutet der kontinuierliche
Ansatz eine Abstraktion der zugrunde liegenden diskreten biologischen Struktur. Auf
diesem Wege sind die Simulationen unabhängig von dieser Struktur, und beliebig
große Skalen können betrachtet werden. Weiterhin erlaubt dieser Ansatz eine intui-
tive Formulierung und Kopplung mit chemischen Prozessen. Die Herausforderung
des kontinuierlichen Ansatzes besteht zum einen darin, verfügbare biologische Infor-
mationen sinnvoll in ein kontinuierliches Modell umzusetzen, zum anderen in der
anspruchsvollen Entwicklung eines Simulations-Codes. Im Rahmen der vorliegen-
den Studie entwickeln wir ein kontinuierliches Modell der Interaktion chemischer
Prozesse mit Gewebe-Mechanik. Wir entwickeln einen Simulations-Code, der auf
der Finite-Elemente-Methode basiert.
Bericht über die bisherigen Arbeiten
Biologisches Modell
Im Rahmen der vorliegenden Studie haben wir ein experimentelles Modellsystem
zum Studium der Gewebe- und Körperachsenbildung aus Hydra-Zellaggregaten
etabliert: So ist es nun möglich, die Spezies Hydra magnipapillata als fluoreszente trans-
gene Hydra vulgaris (AEP) in Einzelzellen zu dissoziieren, und mittels Zentrifuga-
tion, Rotationskultivierung oder Mikrosezierung die Bildung von vielzelligen Zell-
aggregaten zu induzieren und robust den dreidimensionalen Symmetriebruch aus
zunächst homogen erscheinenden kugelförmigen epithelialen Strukturen unter
natürlichen physiologischen Bedingungen zu analysieren (Abb. 1A). Experimentell
unbekannt ist, durch welchen Mechanismus Wnt-Morphogene in Hydra die Zell-
form und damit letztendlich die Gewebeform verändern. Unter den Wnt-Genen in
Hydra nimmt Wnt3 als Schlüsselligand für die Achsen-Musterbildung eine zentrale
Zellpolarität in Vertebraten. Bei der Induktion von Migrationsbewegungen werden
epitheliale Zellverbände von einer apikal-basalen Polarität umorganisiert in eine
bipolare Polarität, welche für Wanderungsbewegungen nötig ist. Solche Interaktio-
nen mechanischer und biophysikalischer Prozesse lassen sich mit Hilfe mathemati-
scher Methoden und Computersimulationen beschreiben. Der Einsatz theoretischer
Methoden ist insbesondere dann notwendig, wenn die Interpretation experimentell
erhobener Daten eine gewisse Komplexität übersteigt. Obwohl eine Vielzahl von
Morphogenen bekannt ist, gibt es nur wenige Erkenntnisse darüber, welcher genaue
Zusammenhang zwischen der Morphogen-Verteilung (Konzentration/Gradient)
und der Zellmechanik (Form, Steifigkeit der Zellen) besteht. Dies liegt darin
begründet, dass selbst für einfache Zusammenhänge die resultierende Gewebegeo-
metrie das Resultat eines komplexen Zusammenspiels zwischen Zellmechanik und
Morphogen-Verteilungen in unterschiedlichen Gewebeschichten auf unterschiedli-
chen Skalen ist. In der vorliegenden Studie nutzen wir eine enge Verzahnung von
mathematischem Modell und experimentellen Daten dazu, basale Zusammenhänge
zwischen der Verteilung von Morphogenen (Wnt) in verschiedenen Hydra-Gewebe-
schichten und dem daraus resultierenden dreidimensionalen Symmetriebruch zu
analysieren. In der mathematischen Modellierung bedeutet der kontinuierliche
Ansatz eine Abstraktion der zugrunde liegenden diskreten biologischen Struktur. Auf
diesem Wege sind die Simulationen unabhängig von dieser Struktur, und beliebig
große Skalen können betrachtet werden. Weiterhin erlaubt dieser Ansatz eine intui-
tive Formulierung und Kopplung mit chemischen Prozessen. Die Herausforderung
des kontinuierlichen Ansatzes besteht zum einen darin, verfügbare biologische Infor-
mationen sinnvoll in ein kontinuierliches Modell umzusetzen, zum anderen in der
anspruchsvollen Entwicklung eines Simulations-Codes. Im Rahmen der vorliegen-
den Studie entwickeln wir ein kontinuierliches Modell der Interaktion chemischer
Prozesse mit Gewebe-Mechanik. Wir entwickeln einen Simulations-Code, der auf
der Finite-Elemente-Methode basiert.
Bericht über die bisherigen Arbeiten
Biologisches Modell
Im Rahmen der vorliegenden Studie haben wir ein experimentelles Modellsystem
zum Studium der Gewebe- und Körperachsenbildung aus Hydra-Zellaggregaten
etabliert: So ist es nun möglich, die Spezies Hydra magnipapillata als fluoreszente trans-
gene Hydra vulgaris (AEP) in Einzelzellen zu dissoziieren, und mittels Zentrifuga-
tion, Rotationskultivierung oder Mikrosezierung die Bildung von vielzelligen Zell-
aggregaten zu induzieren und robust den dreidimensionalen Symmetriebruch aus
zunächst homogen erscheinenden kugelförmigen epithelialen Strukturen unter
natürlichen physiologischen Bedingungen zu analysieren (Abb. 1A). Experimentell
unbekannt ist, durch welchen Mechanismus Wnt-Morphogene in Hydra die Zell-
form und damit letztendlich die Gewebeform verändern. Unter den Wnt-Genen in
Hydra nimmt Wnt3 als Schlüsselligand für die Achsen-Musterbildung eine zentrale