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Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Hrsg.]; Neuser, Wilhelm H. [Hrsg.]; Seebaß, Gottfried [Hrsg.]; Strohm, Christoph [Hrsg.]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 2): Schriften der Jahre 1524 - 1528 — Gütersloh, 1962

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https://doi.org/10.11588/diglit.29139#0029
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SCHRIFTEN DER JAHRE 1524-1528

Pamphlet drucken wollte. Tatsächlich konnte Tregers »Schmach-
büchlein« erst am 20. August in Straßburg herauskommen 33. Es wirkte
wie ein Funke, der in ein Pulverfaß fällt, und gab Anlaß zu einer spon-
tanen Erhebung und Demonstration der Straßburger Bevölkerung nicht
nur gegen den Augustinerprovinzial, sondern gegen alle, die als Gegner
der evangelischen Bewegung bekannt waren.

Die kirchliche Lage in Straßburg hatte sich nämlich immer mehr zu-
gespitzt. Immer entschiedener forderte das Kirchenvolk die Besetzung
der Pfarrstellen mit evangelisch gesinnten Predigern und nützte die
zögernde und unentschiedene Haltung des Rates aus, um seine Wünsche
durchzusetzen 34. Daß die Gegenseite ihre einflußreiche Stellung nur
unwillig und nicht ohne Gegenwehr preisgab, läßt sich verstehen. Die
Prädikanten suchten wohl die Auseinandersetzung auf der Ebene einer
rechtlichen und sachlichen Begegnung zu halten und mahnten das Volk
zur Mäßigung und Ruhe, ohne sich indes allenthalben Gehör verschaffen
zu können. Mehrfach war es bereits im Laufe des Sommers zu unlieb-
samen Zwischenfällen, ja zu Handgreiflichkeiten gekommen. In den
letzten Augusttagen gar, als die Stiftsherren Straßburg verließen und
die kostbaren silbernen Bilder aus St. Peter mitnahmen, hatte das Volk
dies zum Anlaß genommen, nun auch seinerseits Bilder aus Kirchen zu
entfernen. Daraufhin entschloß sich der Rat zu einem Mandat, das
derlei Eigenmächtigten und Übergriffe ausdrücklich unter Strafe stellte 35.
Angesichts der großen Unruhe in der Bevölkerung fühlten sich die
Prädikanten zu einer entschiedenen Vorstellung beim Rat veranlaßt 36:
Die Unruhe unter der Bevölkerung wird darauf zurückgeführt, daß ver-
schiedene Gegner der Reformation »mit unverschampter sturn die
geschrift und deren naturlichen inhalt widerfechten«. Das Mandat vom
1. 12. 1523, worin alle Polemik von der Kanzel aus untersagt ist 37, sei
nicht ausreichend, die Ruhe und Ordnung zu gewährleisten. Die Prädi-
kanten empfahlen ein Mandat, wonach jedem Prediger, der gegen die
genannte Verordnung verstoße, verboten werde, weiterhin in Straßburg
zu predigen. Auch möge der Rat veranlassen, daß evangelische Lehrer
eingestellt und eine geordnete Erziehung der Jugend in Angriff ge-

33. Titelrückseite: »Zu dem Leser. Frummer leser / das diß biechlin so lang sich
verzogen vnd nit vßgangen / ist in der warheit die vngestümigkeit der widerparthey
in vrsach. Dann sie es dahin bracht hat / das wenig Trucker gefunden werdent / die
das Jnen zu wider trucken wöllent oder dörffent. Vnd so mir gott vmb ein Trucker
geholffen / hat er annders zu trucken gehabt / das er vor vollenden hat miessen.
Getruckt vnd vollendet an sant Bernharts tag des heiligen Abts.«

34. A. Baum, S. 74ff.

35. A. Baum, S. 86ff.

36. A. Baum, S. 192 ff. (Abdruck des Aktenstückes).

37. Das Mandat ist wiederholt abgedruckt worden. Vgl. Röhrich: Gesch. I, 1831,
S. 455 f., und Röhrich: Mitt. I, 1855, S. 260ff.
 
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