Metadaten

Bucer, Martin; Stupperich, Robert [Editor]; Neuser, Wilhelm H. [Editor]; Seebaß, Gottfried [Editor]; Strohm, Christoph [Editor]
Martin Bucers Deutsche Schriften (Band 2): Schriften der Jahre 1524 - 1528 — Gütersloh, 1962

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.29139#0185
License: Free access  - all rights reserved

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
SCHRIFTEN DER JAHRE 1524-1528

180

»gottlos« und klagt den Straßburger an, wider besseres Wissen seinen
Namen »befleckt« und »verdächtig« gemacht zu haben 15.

Hat Bucer wirklich wider besseres Wissen gehandelt? Die bisherigen
Beobachtungen zeigen, daß Bucer von dieser Anklage weitgehend frei-
gesprochen werden muß. Zu Beginn des Abendmahlsstreites bestand
eben noch ziemliche Unklarheit über die beiderseitigen Positionen.
Karlstadt stand noch im Mittelpunkt des Kampfes. Gegen Zwingli
hatte Luther sich noch nicht öffentlich gewandt. Vor allem war die
erste unzweideutig Lutherische Streitschrift gegen Zwingli, Bugen-
hagens Sendbrief an Hess, zur Zeit der Übersetzung Bucers diesem
noch nicht bekannt, wie er in seiner lateinischen Verteidigungsrede
erklärt 16. In dieser Situation bot sich Bucer jene zwinglisch klin-
gende Abendmahlserklärung in Bugenhagens Psalterium von 1524 und
sein Brief, der ihm unbegrenzte Freiheit zur Gestaltung der deutschen
Fassung gab. W. Köhlers Urteil ist beizupflichten: »Es war ein Versuch,
ob es nicht vielleicht in Erinnerung an vergangene glückliche Zeiten,
sowie Bucer sie verstand, die Wittenberger für den geistigen Genuß
Christi im Abendmahl zu gewinnen gelingen möchte. Freigesprochen
von Schuld wird Bucer nicht..., aber entlastet wird er. Er war der Ansicht
Luthers nicht absolut sicher und wollte riskieren, ihn zu gewinnen.
Dabei hat er verloren 17«.

Bucers Schuld besteht vor allem darin, daß er diesen Versuch, die
Wittenberger zu gewinnen, nicht offen unternahm. Auf diese Weise
vermochte er vielleicht die Leser von seiner Meinung zu überzeugen,
daß die Lehre von der Realpräsenz überflüssig und die Anbetung des
Sakraments römischer Mißbrauch sei. Den Wittenbergern mußte sein
heimliches Vorgehen als hinterhältig erscheinen. Der vorsichtige Capito
hatte Bucer vorher auch gewarnt und geraten, seine Meinung den
Lesern separat darzulegen. Aber Bucer hatte nicht gewollt, weil er
Bugenhagens Erlaubnis zu besitzen vermeinte 18. Gleichfalls hatte ihm
Zwingli abgeraten 19. Dagegen hatte wohl Konrad Pellikan diese Weise
des Vorgehens angeregt.

Die Verurteilung durch die Wittenberger fiel dann auch sehr schroff
aus, weil in der Abendmahlserklärung Bugenhagens die Realpräsenz
nicht ausgeschlossen, sondern nur unerwähnt geblieben war. Das ist
Bucers Irrtum. Die Realpräsenz war nicht erwähnt worden, weil sie
vor dem Abendmahlsstreit kein theologisches Gewicht besaß. Zum

15. Zum weiteren Verlauf des Streites vgl. die Einleitungen zu B.s beiden Ver-
teidigungsschriften.

16. Vgl. Köhler I, 365 f.

17. Vgl. Köhler I, 367.

18. Vgl. Capito an Zwingli, 26. 9. 1526, CR 95, Zw 8, 724-725.

19. Vgl. Bucer an Zwingli, März 1527, CR 96, Zw 9,71.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften