GETREWE WARNUNG GEGEN JACOB KAUTZ 229
nehmen, daß dem Anschlag der Kautzschen Thesen schon längere
Verhandlungen vor dem Wormser Rat vorangegangen waren, deren
Ergebnislosigkeit die Prädikanten offenbar davon überzeugt hatte,
daß eine weitere mündliche Aussprache mit Kautz in Form einer
öffentlichen Disputation zwecklos sei. Die ziemlich kurzgefaßten Anti-
thesen der Prediger sind zweifellos ebenso wie die Thesen selbst durch
den Druck verbreitet worden, denn sie waren schon zwei Tage später
dem Johann Cochläus in Mainz bekannt, wie aus einer Schrift hervor-
geht, die er mit einer Dedikationsepistel vom 15. Juni an den Rat und
die Gemeinde von Worms richtete 7. Für diesen eifrigen Verfechter
des altkirchlichen Standpunktes waren die von Kautz aufgestellten
Behauptungen ohne weiteres verwerflich; aber auch die Gegenthesen
der lutherischen Prädikanten konnten begreiflicherweise vor seinen
Augen keine Gnade finden. So gipfelt denn seine Schrift in der an den
Wormser Magistrat gerichteten Aufforderung, beide streitenden Par-
teien aus der Stadt zu entfernen, dadurch die Ruhe des kirchlichen Lebens
wiederherzustellen und die Entscheidung über alle strittigen Punkte
der zuständigen kirchlichen Obrigkeit zu überlassen. In der Tat hat die
Stadt Worms, ohne allerdings im Sinn des Cochläus ihrer Stellung zur
Reformation untreu zu werden, zunächst am 1. Juli nicht nur den
Jakob Kautz und seinen Mitstreiter Hilarius, sondern auch deren Geg-
ner, die lutherischen Prädikanten Preu und Freiherr aus der Stadt aus-
gewiesen. Im August wurde dann auf Empfehlung Bucers in der Person
des Leonhard Brunner ein neuer evangelischer Prediger gewonnen.
Dieser Empfehlung Bucers waren aber bereits andere Einmischungen
der Straßburger Prädikanten in die kirchlichen Streitigkeiten zu Worms
vorangegangen. Schon im Jahr 1526 muß Kautz mit Capito in einem
Briefwechsel gestanden haben, in dem zunächst die Gegensätze der
Lehrmeinungen noch nicht offen zu Tage traten 8. Als dann die Kunde
von den Irrungen zwischen Kautz und den Wormser Predigern nach
Straßburg gelangte, fühlte sich Capito veranlaßt, an Kautz eine brüder-
liche Verwarnung zu richten. Kautz ließ diesen Brief unbeantwortet;
er mochte wohl seine bald darauf veröffentlichten Thesen als hin-
reichende und eindeutige Antwort betrachten. Gegen diese Thesen
haben dann die Straßburger in der unten abgedruckten, zweifellos von
Bucer herrührenden Schrift 9 Stellung genommen, sicherlich nicht nur,
7. Articuli aliquot a Jacobo Kautio Oecolampadiano ad populum nuper Wormaciae
aediti, partim a Lutheranis, partim a Johanne Cochlaeo doctore praestantissimo
reprobati. MDXXVII. Mense Junio. 8. Bl. Die Schrift erschien auch in einer deut-
schen Fassung. Vgl. Martin Spahn: Johannes Cochläus. Berlin 1898. S. 349, Nr. 47
und 48.
8. Dies und das Folgende erwähnt B. in der unten abgedruckten Schrift.
9. Die Autorschaft B.s ist dadurch gesichert, daß die »Getreue Warnung« in dem
nehmen, daß dem Anschlag der Kautzschen Thesen schon längere
Verhandlungen vor dem Wormser Rat vorangegangen waren, deren
Ergebnislosigkeit die Prädikanten offenbar davon überzeugt hatte,
daß eine weitere mündliche Aussprache mit Kautz in Form einer
öffentlichen Disputation zwecklos sei. Die ziemlich kurzgefaßten Anti-
thesen der Prediger sind zweifellos ebenso wie die Thesen selbst durch
den Druck verbreitet worden, denn sie waren schon zwei Tage später
dem Johann Cochläus in Mainz bekannt, wie aus einer Schrift hervor-
geht, die er mit einer Dedikationsepistel vom 15. Juni an den Rat und
die Gemeinde von Worms richtete 7. Für diesen eifrigen Verfechter
des altkirchlichen Standpunktes waren die von Kautz aufgestellten
Behauptungen ohne weiteres verwerflich; aber auch die Gegenthesen
der lutherischen Prädikanten konnten begreiflicherweise vor seinen
Augen keine Gnade finden. So gipfelt denn seine Schrift in der an den
Wormser Magistrat gerichteten Aufforderung, beide streitenden Par-
teien aus der Stadt zu entfernen, dadurch die Ruhe des kirchlichen Lebens
wiederherzustellen und die Entscheidung über alle strittigen Punkte
der zuständigen kirchlichen Obrigkeit zu überlassen. In der Tat hat die
Stadt Worms, ohne allerdings im Sinn des Cochläus ihrer Stellung zur
Reformation untreu zu werden, zunächst am 1. Juli nicht nur den
Jakob Kautz und seinen Mitstreiter Hilarius, sondern auch deren Geg-
ner, die lutherischen Prädikanten Preu und Freiherr aus der Stadt aus-
gewiesen. Im August wurde dann auf Empfehlung Bucers in der Person
des Leonhard Brunner ein neuer evangelischer Prediger gewonnen.
Dieser Empfehlung Bucers waren aber bereits andere Einmischungen
der Straßburger Prädikanten in die kirchlichen Streitigkeiten zu Worms
vorangegangen. Schon im Jahr 1526 muß Kautz mit Capito in einem
Briefwechsel gestanden haben, in dem zunächst die Gegensätze der
Lehrmeinungen noch nicht offen zu Tage traten 8. Als dann die Kunde
von den Irrungen zwischen Kautz und den Wormser Predigern nach
Straßburg gelangte, fühlte sich Capito veranlaßt, an Kautz eine brüder-
liche Verwarnung zu richten. Kautz ließ diesen Brief unbeantwortet;
er mochte wohl seine bald darauf veröffentlichten Thesen als hin-
reichende und eindeutige Antwort betrachten. Gegen diese Thesen
haben dann die Straßburger in der unten abgedruckten, zweifellos von
Bucer herrührenden Schrift 9 Stellung genommen, sicherlich nicht nur,
7. Articuli aliquot a Jacobo Kautio Oecolampadiano ad populum nuper Wormaciae
aediti, partim a Lutheranis, partim a Johanne Cochlaeo doctore praestantissimo
reprobati. MDXXVII. Mense Junio. 8. Bl. Die Schrift erschien auch in einer deut-
schen Fassung. Vgl. Martin Spahn: Johannes Cochläus. Berlin 1898. S. 349, Nr. 47
und 48.
8. Dies und das Folgende erwähnt B. in der unten abgedruckten Schrift.
9. Die Autorschaft B.s ist dadurch gesichert, daß die »Getreue Warnung« in dem