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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2010 — 2011

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I. Das Geschäftsjahr 2010
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Sitzung der Phil.-hist. Klasse am 23. Juli 2010
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Thadden, Ernst-Ludwig von: Bankenzusammenbrüche und der Repo Markt aus spieltheoretischer Sicht
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https://doi.org/10.11588/diglit.55658#0083
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23. Juli 2010 I 99

WISSENSCHAFTLICHE SITZUNG
HERR ERNST-LUDWIG VON THADDEN HALT EINEN VORTRAG:
„Bankenzusammenbrüche und der Repo Markt aus spieltheoretischer Sicht“
Die Große Finanzkrise von 2007—09 war die schlimmste Krise des weltweiten
Finanzsystems seit der Großen Depression und führte die Weltwirtschaft an den
Rand einer zweiten Großen Depression, die nur mit Glück und durch das ent-
schlossene und koordinierte Eingreifen von Regierungen und Zentralbanken welt-
weit vermieden wurde. Es ist inzwischen wohl bekannt, welche strukturellen
Verwerfungen zum Entstehen der Krise beigetragen haben (vergleiche zum Beispiel
Brunnermeier (2009) oder Dewatripont, Röchet und Tirole (2010)). Auch wenn
über die relative Bedeutung dieser Verwerfungen für das Entstehen der Krise noch
diskutiert wird, gehören zu den wichtigsten Problemen zweifelsohne der über-
mäßige globale Fluss von Finanzkapital in die USA seit Anfang der 2000er Jahre, die
exzessive Gewährung und Verbriefung von Hypotheken in den USA, die Auslage-
rung von Bankgeschäften in ein wenig transparentes Schattenbanksystem, die Ver-
wendung falscher Bewertungsmodelle, und eine unzulängliche Regulierung des
Finanzsystems weltweit.
Selbst wenn man allerdings den Beitrag aller dieser und anderer Struktur-
probleme zur Entstehung der Krise berücksichtigt, ist es schwer zu erklären, wie es
zu dem katastrophalen Absturz des Weitfinanzsystems innerhalb weniger Tage im
Herbst 2008 kam. Die Investitionsbank Lehman Brothers bekam nach dem 9. Sep-
tember innerhalb von wenigen Tagen auf den Interbankenmärkten keinen ausrei-
chenden Zugang zu kurzfristiger Kreditfinanzierung mehr, obwohl sie als strukturell
zwar riskant aber gesund galt. Das Volumen ihrer besicherten Ubernacht-Kredite fiel
von über 150 Milliarden Dollar um mehr als 50 Prozent, und die Anzahl der in die
Bank investierenden kurzfristigen Repo-Investoren (siehe unten) sank von über 60
auf unter 20 (Daten nach Copeland, Martin und Walker (2010)). Am 15. September
musste Lehmann Brothers völlig überraschend Konkurs anmelden. Es war dieser
Konkurs, der die Weltwirtschaft in den folgenden Wochen auf Grund des praktisch
vollständigen Zusammenbruchs aller Interbankenmärkte an den Rand der Katastro-
phe brachte.
Der plötzliche Zusammenbruch von Lehman Brothers ist schwer durch „fun-
damentale“ Faktoren zu erklären. Zwar galt die Bank wegen der aggressiven Strate-
gie ihres Vorstandsvorsitzenden Fuld in den 2000er fahren als riskanter als ihre
Konkurrenten unter den großen Investitionsbanken, doch galt sie nie als konkurs-
gefährdet und erfüllte bis zu ihrem Untergang alle Eigenkapital- und ähnlichen
regulatorischen Risikovorsorgevorschriften mit großem Abstand. Im März 2008, als
alle Wall-Street Banken nach dem Konkurs von Bear Stearns unter besonders genaue
Beobachtung des Marktes gerieten, verfügte das Unternehmen über Liquidität (Bar-
geld, liquide und frei beleihbare Wertpapiere) von 170 Milliarden Dollar, 25% der
gesamten Wertpapierposition der Firma. Dies stellte die höchste Liquiditätquote
unter den großen Wertpapierhändlern an Wall Street dar.
 
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