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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2010 — 2011

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I. Das Geschäftsjahr 2010
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Sitzung der Phil.-hist. Klasse am 29. Oktober 2010
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Quack, Friedrich: Zauberhaftes aus der Florentiner Papyrussammlung
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https://doi.org/10.11588/diglit.55658#0113
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29. Oktober 2010 | 129

erkennbaren Stichwörter im Verein mit bekannten Parallelen in anderen Hand-
schriften die wesentlichen inhaltlichen Elemente ganz gut erkennen.
Beim ersten Papyrus handelt es sich um einen Vertreter der Lampendivination.
Dies ist em Verfahren, bei dem man auf Visionen von Gottheiten im flackernden
Licht einer Öllampe hofft. Dies ist eine Spezialgruppe innerhalb der sogenannten
„Offenbarungszauber“, die in Handbüchern gut greifbar ist, während die praktische
Durchführung so wenig signifikante Spuren hinterläßt, daß man sie weder archäolo-
gisch klar fassen kann noch Niederschriften der konkreten Praxis erhalten sind.
Typisch für die Lampendivination in anderen Texten ist, daß man gerne einen Kna-
ben als Medium verwendet; die Beschwörungsformeln enthalten vielfach unver-
ständliche Wörter, die vielleicht einmal sinnvolle fremdsprachliche Bestandteile ent-
halten haben mögen, von den konkreten magischen Praktikern aber vorwiegend
einfach als semantisch leere phonetisch wirksame Formeln wahrgenommen wurden.
Fremde mythologische Elemente können ohne weiteres integriert werden, so gibt es
in einem späten ägyptischen Papyrus sogar einen Rekurs auf die biblische Gott-
esepiphanie am Sinai. Im Ablauf der Beschwörungen ist nicht selten ein spezieller
magischer Zwang vorgesehen, der dann zum Einsatz kommt, wenn der erste Versuch
mit dem Basis verfahren nicht erfolgreich ist.
Der neuentdeckte Papyrus kann als früher Vertreter (wenigstens einige Jahr-
zehnte älter als alle anderen gesicherten Vertreter dieser Textgattung) einiges zum Ver-
ständnis ihrer Entwicklung beitragen. Auch die Florentiner Handschrift zeigt sicher
die Präsenz eines Knaben als Medium. Weniger eindeutig ist dagegen die Präsenz
sprachlich intransparenter Elemente. Unter Berücksichtigung des teilweise schlechten
Erhaltungszustandes sowie in Anbetracht bestimmter Deutungsmöglichkeiten unter
Einbeziehung älterer ägyptischer Sprachphasen gibt es keine absolut sicher nicht-
ägyptischen sprachlichen Elemente; auch die auftretenden Gottheiten stammen aus
der traditionellen ägyptischen Mythologie. Auffällig zahlreiche hieratisch geschriebe-
ne Wörter (also der Rückgriff auf ein traditionelleres Schriftsystem) im sonst demo-
tischen Texten deuten zumindest darauf hin, daß der Text auf vergleichsweise alte
Vorlagen zurückgehen könnte. Damit liefert die neue Handschrift wertvolle Indizien
hinsichtlich der innerägyptischen Hintergründe dieser magischen Technik.
Der zweite vorgestellte Papyrus stammt ebenfalls aus einem magischen Hand-
buch. Bei ihm handelt es sich um einen Liebeszauber. Diese Textgattung ist im älte-
ren Ägypten sehr wenig bezeugt, wird aber in der Römerzeit ausgesprochen häufig,
und zwar nicht nur in Handbüchern, sondern auch in etlichen Niederschriften der
konkreten Anwendung, die auf namentlich benannte Personen (unter Angabe des
Namens der Mutter) abzielen. Die Florentiner Handschrift zeigt sich schon darin als
Mustervorlage eines Handbuches, daß sie keine spezifischen Namen nennt, sondern
Platzhalter verwendet. Sehr auffällig ist dabei allerdings die Art der Angabe der Mut-
ter. Einerseits wird die Formel „die eine Gebärmutter geboren hat“ gebraucht, wel-
che ähnlich in einigen lateinischen und griechischen Beschwörungen vorkommt,
ägyptisch aber bislang unbezeugt war. Andererseits wird teilweise, Korrektheit der
Entzifferung vorausgesetzt, die Abkürzung des griechischen Begriffs für „NN“ im
demotischen Text verwendet (wofür es einige Parallelen gibt).
 
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