164 | VERANSTALTUNGEN
denn auch den Kommentar der Heidelberger Akademie der Wissenschaften zu sämt-
lichen Werken Nietzsches. Dieser allererste umfassende Nietzsche-Kommentar soll
die historischen, literarischen und philosophischen Gehalte, Formen und Kontexte
von Nietzsches Werken möglichst breit und möglichst tiefschürfend aufarbeiten.
Dabei wird zu jeder einzelnen Schrift Nietzsches em Kommentar erstellt, der sich
wiederum in einen Überblickskommentar und einen Einzelstellenkommentar
untergliedert.
Der Nietzsche-Kommentar soll zu einer neuen Fokussierung auf die von
Nietzsche zu Lebzeiten publizierten oder zur Publikation fertigstellten Werke bei-
tragen. Von Elisabeth Förster-Nietzsches Nachlasskompilationen über Martin
Heideggers folgenreiche Behauptung, Nietzsches „eigentliche Philosophie“ sei in
seinem Nachlass zu finden, bis in die Gegenwart hält sich hartnäckig eine starke
Präferenz für Nietzsches nachgelassene Notizen, als ob diese Notizen nicht bloss die
Werkstatt, sondern das eigentliche Werk des Philosophen gewesen wären. Und auch
im Umgang mit den von Nietzsche publizierten Büchern herrscht seit jeher ein
Außenstehende überraschender Eklektizismus: Die Praxis hat sich eingebürgert,
bestimmte Äußerungen Nietzsches aus ihrem Kontext zu entfernen, mit Äußerun-
gen aus ganz anderen Kontexten zu kombinieren und daraus dann die jeweils ge-
nehme philosophische Position abzuleiten. Emer solchen Rezeptionshaltung hat
Nietzsche dadurch Vorschub geleistet, dass seine Bücher oft die Leser-Erwartungen
an die formale und inhaltliche Einheit „Buch“ unterlaufen und das abendländische
Kulturmedium Buch damit wie andere, scheinbar fraglose Gegebenheiten des
Daseins kritisch zur Disposition stellen. Diese Problematisierung des Buches als
Buch lässt sich spätestens seit den ersten Aphorismenbüchern, namentlich von
Menschliches, Allzumenschliches (1878) an beobachten, die keinen Wert mehr auf eine
durchgehende Argumentationskette, einen einzigen zentralen Gedanken oder einen
nacherzählbaren Plot legen, sondern dem Leser selbst eine Synthetisierungsleistung
abverlangen, die er so bei der Lektüre herkömmlicher Bücher selten hatte erbringen
müssen.
Was soll ein Kommentar leisten?
Was darf man von einem Kommentar zu Nietzsches Werken erwarten? Gewiss wird
das Anforderungsprofil je nach Nutzer und je nach Kommentar unterschiedlich aus-
fallen - entsprechend wird ein konkreter Kommentar nie all die Bedürfnisse befrie-
digen können, mit denen seine Nutzer ihn konfrontieren. Der nachfolgende ,Lei-
stungskatalog1 gibt damit in erster Linie die Anforderungen wieder, mit denen ich
selbst einen solchen Kommentar konfrontiere.
Der Leitanspruch, den ich jenseits einfacher Sach- und Begriffserklärungen an
einen Kommentar zu Nietzsches Werken stelle, lautet: Ein Kommentar soll kontextua-
lisieren. Kontextualisierung kann auf mindestens drei Ebenen angesiedelt sein. Erstens
ist Kontextualisierung innerhalb des kommentierten Werkes anzustreben. Gezeigt
wird dann, wie eine bestimmte Aussage, ein bestimmter Gedanke mit ähnlichen
Gedanken an anderen Stellen im selben Werk zusammenhängt, wie die Aussage oder
denn auch den Kommentar der Heidelberger Akademie der Wissenschaften zu sämt-
lichen Werken Nietzsches. Dieser allererste umfassende Nietzsche-Kommentar soll
die historischen, literarischen und philosophischen Gehalte, Formen und Kontexte
von Nietzsches Werken möglichst breit und möglichst tiefschürfend aufarbeiten.
Dabei wird zu jeder einzelnen Schrift Nietzsches em Kommentar erstellt, der sich
wiederum in einen Überblickskommentar und einen Einzelstellenkommentar
untergliedert.
Der Nietzsche-Kommentar soll zu einer neuen Fokussierung auf die von
Nietzsche zu Lebzeiten publizierten oder zur Publikation fertigstellten Werke bei-
tragen. Von Elisabeth Förster-Nietzsches Nachlasskompilationen über Martin
Heideggers folgenreiche Behauptung, Nietzsches „eigentliche Philosophie“ sei in
seinem Nachlass zu finden, bis in die Gegenwart hält sich hartnäckig eine starke
Präferenz für Nietzsches nachgelassene Notizen, als ob diese Notizen nicht bloss die
Werkstatt, sondern das eigentliche Werk des Philosophen gewesen wären. Und auch
im Umgang mit den von Nietzsche publizierten Büchern herrscht seit jeher ein
Außenstehende überraschender Eklektizismus: Die Praxis hat sich eingebürgert,
bestimmte Äußerungen Nietzsches aus ihrem Kontext zu entfernen, mit Äußerun-
gen aus ganz anderen Kontexten zu kombinieren und daraus dann die jeweils ge-
nehme philosophische Position abzuleiten. Emer solchen Rezeptionshaltung hat
Nietzsche dadurch Vorschub geleistet, dass seine Bücher oft die Leser-Erwartungen
an die formale und inhaltliche Einheit „Buch“ unterlaufen und das abendländische
Kulturmedium Buch damit wie andere, scheinbar fraglose Gegebenheiten des
Daseins kritisch zur Disposition stellen. Diese Problematisierung des Buches als
Buch lässt sich spätestens seit den ersten Aphorismenbüchern, namentlich von
Menschliches, Allzumenschliches (1878) an beobachten, die keinen Wert mehr auf eine
durchgehende Argumentationskette, einen einzigen zentralen Gedanken oder einen
nacherzählbaren Plot legen, sondern dem Leser selbst eine Synthetisierungsleistung
abverlangen, die er so bei der Lektüre herkömmlicher Bücher selten hatte erbringen
müssen.
Was soll ein Kommentar leisten?
Was darf man von einem Kommentar zu Nietzsches Werken erwarten? Gewiss wird
das Anforderungsprofil je nach Nutzer und je nach Kommentar unterschiedlich aus-
fallen - entsprechend wird ein konkreter Kommentar nie all die Bedürfnisse befrie-
digen können, mit denen seine Nutzer ihn konfrontieren. Der nachfolgende ,Lei-
stungskatalog1 gibt damit in erster Linie die Anforderungen wieder, mit denen ich
selbst einen solchen Kommentar konfrontiere.
Der Leitanspruch, den ich jenseits einfacher Sach- und Begriffserklärungen an
einen Kommentar zu Nietzsches Werken stelle, lautet: Ein Kommentar soll kontextua-
lisieren. Kontextualisierung kann auf mindestens drei Ebenen angesiedelt sein. Erstens
ist Kontextualisierung innerhalb des kommentierten Werkes anzustreben. Gezeigt
wird dann, wie eine bestimmte Aussage, ein bestimmter Gedanke mit ähnlichen
Gedanken an anderen Stellen im selben Werk zusammenhängt, wie die Aussage oder