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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2010 — 2011

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I. Das Geschäftsjahr 2010
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Mitarbeitervortragsreihe "Wir forschen. Für Sie"
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Thomsen-Fürst, Rüdiger: „ . . . unsere wonneduftende Flöte. . .“: Überlegungen zur Kammermusik mit Flöte am Hofe Carl Theodors in Mannheim
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https://doi.org/10.11588/diglit.55658#0157
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8. Juli 2010 173

bzw. in den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim.4 5 Sowohl zu Zuschreibung als
auch zur Datierung gibt es unterschiedliche Angaben; diese zu diskutieren ist hier
nicht der richtige Ort und sollte dem Kunsthistoriker vorbehalten beiben. Bemer-
kenswert ist jedoch, dass die Münchner Ausführung des Bildes wesentlich detailrei-
cher ist, als die Mannheimer: Hier lassen sich sowohl Einzelheiten hinsichtlich des
Instruments als auch der auf einem kleinen Tisch aufgeschlagenen Noten erkennen.
Die Traversflöte, wahrscheinlich aus Buchsbaum gefertigt, trägt die Marke „Carlo
Palinca“, wobei es sich sehr wahrscheinlich um den Turiner Instrumentenbauer
Carlos Palanca (ca. 1688/1690—1783) handelt. Die aufgeschlagenen Noten bilden ein
nicht näher zu identifizierendes Menuett in G-Dur ab. Auf der darunter hegenden
Seite ist der Schriftzug „Flauto traverso di Schneider“ lesbar. Alle diese Informatio-
nen lassen sich jedoch nicht eindeutig mit dem Mannheimer Hof in Verbindung
bringen: Weder ist em Komponist oder Flötist Schneider in der Hofkapelle tätig
gewesen noch ist bekannt, dass Flöten in Turin gekauft wurden.
Als Ausgangspunkt für unsere Fragestellung wesentlich ergiebiger ist das zwei-
te Bild des Kurfürsten von der Pfalz, nämlich das bereits 1757 entstandene Carl
Theodor Porträt von Johann Georg Ziesenis? Es zeigt den Kurfürsten in einer
scheinbar intimen Atmosphäre, >en neglige<, im Hausmantel und mit rutschenden
Strümpfen. Diese Art der Darstellung hat in der Kunstgeschichte kein direktes Vor-
bild.6 Es ist deshalb anzunehmen, dass Ziesems dieses Bild auf Anweisung oder doch
zumindest mit ausdrücklicher Billigung des Kurfürsten gefertigt hat. Das Gemälde ist
Teil eines Doppelportraits, das Gegenstück zeigt die Kurfürstin mit Handarbeitszeug.
Verschiedene Autoren haben bereits darauf hingewiesen, dass es sich hier nicht um
die fotografisch-realistische Abbildung der privaten Lebensumgebung des Kurfürsten
handelt, sondern um eine emblematische Darstellung, die wiederum eine Selbstins-
zenierung des Regenten ist. Ob der abgebildete Raum einem konkreten Kabinett in
den Schlössern von Schwetzingen7 oder Mannheim8 entspricht, ist für unsere Fra-
genstellung nebensächlich.
Die Geste der rechten Hand und der Vorhang sind gleichsam Vokabeln des
barocken Herrscherporträts, der Hund unter dem Tisch ließe sich in dieser Traditi-
on ebenfalls als Allegorie von Mut und Treue verstehen. Umgeben ist der Kurfürst
aber auch von Gegenständen, die seine Liebe zu den Künsten und Wissenschaften
repräsentieren: Einer Uhr, Schreibzeug und einer umfangreichen Bibliothek, die im
Hintergrund durch einen Türdurchbruch im angrenzenden Zimmer sichtbar wird.

4 Vgl. RIdIM online (http://mdzx.bib-bvb.de/ridim/index.php): München, Bayerische Staats-
gemäldesammlung, Inventarnummer/Signatur 3620, RIdlM-Sigel Mstag - 786; Mannheim,
Reiss-Engelhorn-Museen, Inventarnummer/Signatur O 390, RIdlM-Sigel MHrm - 5.
5 Vgl. ebd.: München, Bayerisches Nationalmuseum, Inv. Nr. R5783, RIdlM-Sigel Mbnm - 24 &
Mstag - 750
6 Karin Schrader, Der Bildnismaler Johann Georg Ziesems (1716—1776). Leben und Werk mit kritischem
Oeuvrekatalog (= Göttinger Beiträge zur Kunstgeschichte 3), Münster 1995, S. 71.
' Bettina Wackernagel, Musikinstrumente des 16. bis 18. Jahrhunderts im Bayerischen Nationalmuseum,
München 1999, S. 107.
8 Schrader, Der Bildnismaler Johann Georg Ziesenis, S. 70.
 
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