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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2010 — 2011

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I. Das Geschäftsjahr 2010
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Heidelberger Akademie-Vorlesung
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Kasper, Walter: Das Christentum im Dialog der Religionen
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https://doi.org/10.11588/diglit.55658#0179
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23. November 2010 | 195

sehe Elemente aufgenommen und sich sozusagen anverwandelt, d.h. integriert und
sie bemüht sich heute in der Mission um Inkulturation.
Sicher müssen wir uns hinsichtlich der Missionsgeschichte auch selbstkriti-
schen Fragen stellen und uns sagen, dass wir den Missionsauftrag oft auch schlecht
ausgeübt haben. Eine Neubesinnung auf das Missionsverständnis und die Missions-
praxis ist deshalb seit geraumer Zeit im Gange. Richtig verstanden ist Mission die
Form der Globalisierung, durch die Menschen und Kulturen nicht nur wirtschaft-
lich, medial und verkehrsmäßig zusammengebracht werden, sondern bei aller blei-
benden Vielfalt die gleichen Grundüberzeugungen teilen. Der verständnisvolle und
respektvolle Dialog mit den anderen Religionen wird heute als ein wesentliches Ele-
ment der Mission selbst angesehen. Das sind jeweils langfristige Prozesse, die auch
durch Perioden der Spannung hindurch führen.
Ein solcher Dialog ist keine Einbahnstraße, bei denen Christen nur als Lehr-
meister auftreten könnten. Zum Dialog gehört, dass man versucht, mit den Augen
des anderen auf sich zu schauen. Dabei werden wir uns im Dialog oft kritisch den
Spiegel vorhalten lassen müssen. Auch wenn Christen überzeugt sind, dass in Jesus
Christus die Fülle der Wahrheit geschenkt wurde, so heißt das nicht, dass wir diese
Fülle jemals ausgeschöpft oder gar lebensmäßig reahsiert haben. Oft genug haben wir
das eben nicht getan. Der Dialog mit den anderen schenkt uns die Möglichkeit, die
eigene Glaubenspraxis zu reinigen und sie auch tiefer zu verstehen. Nicht umsonst
beginnt Jesus im Gleichnis vom barmherzigen Samariter in der Gestalt des Priesters
und Leviten, die achtlos an dem am Wegrand Liegenden vorbeigehen, mit einer
Kritik an der damals etablierten jüdischen Religion und stellt in der Gestalt des
Samariters ein Vorbild von einem als fremdreligiös Angesehenen vor Augen
(Lfe 10,29-37).
Zurück zur Frage nach der christlichen Identität
Aus dieser universalen Perspektive hat schon das Alte Testament konkrete Folgerun-
gen gezogen, die heute in ganz neuer Weise aktuell sein können. Das Alte
Testament kennt und schätzt nach gemeinorientalischem Brauch das Gebot der
Gastfreundschaft (Dtn 10,18 f; Spr 27,8; Sir 29,21 u.a.).1' Abraham, der Vater des
Glaubens, wird als leuchtendes Beispiel solcher Gastfreundschaft vorgestellt (Gen
18). Gastfreundschaft bedeutet die Annahme und Aufnahme des Anderen und Frem-
den, bedeutet das Raumgewähren für den Fremden im eigenen Haus. Jesus selbst hat
uns dieses Sein für andere vorgelebt. Es geht also nicht um eine Randfrage, sondern
um die Mitte christlicher Existenz und christlicher Identität.17 18 So hat Jesus in der

17 Vgl. G. Stählin, Art. ^EUOO, in:ThWNTV (1954) 1-36; O. Hiltbrunner u.a., Art. Gastfreund-
schaft, in: RAC VIII (1972) 1061-1123.
18 J. Ratzinger hat mehrfach das Konzept der Stellvertretung für den Dialog mit den Religionen
herausgestellt.Vgl. Kirche - Zeichen unter denVölkern, in: Gesammelte SchriftenVol. 8/1,1032—
34; Kein Heil außerhalb der Kirche?, in: Ibid. 1073—77 u. a.
 
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