Wolfgang Seibel
207
ner Habilitationsschrift, die unter dem Buchtitel „Funktionaler Dilettantismus —
erfolgreich scheiternde Organisationen zwischen Markt und Staat“ 1992 erschien,
habe ich mich mit der Politisierung von Organisationen an der Nahtstelle zwischen
Staat und Gesellschaft — „zivilgesellschaftliche Organisation“ würde man heute sagen
— beschäftigt und zu erklären versucht, dass Organisationsversagen bei der Erledi-
gung öffentlicher Aufgaben nicht notwendigerweise die Folge unzureichender
Managementfertigkeiten ist. Viele öffentliche Aufgaben, die auf der politischen
Agenda landen, sind nicht lösbar, jedenfalls nicht unter den obwaltenden Umstän-
den. Sie werden, bildlich gesprochen, zwischengelagert oder endgelagert in Organi-
sationssegmenten, die verlässlich versagen, ohne großen Arger zu machen. Das soll-
ten tunlichst nicht Organisationssegmente in der Nähe der staatlichen Kernfunktio-
nen wie Sicherheit, Ordnung, Rechtsprechung oder Gesetzgebung sein.
Dilettantismus, der politisch funktional ist, wird am besten in der Peripherie von
Staat und Markt angesiedelt, dort wo wir es mit Non-Profit-Organisationen, zivil-
gesellschaftlichen oder Nicht-Regierungsorganisationen zu tun haben. So meine
damaligen Thesen.
Die fanden dann durchaus Interesse innerhalb, aber auch außerhalb des Wis-
senschaftsbetriebs und es war mein Glück, dass die Forschung zu Nicht-Regierungs-
und Non-Profit-Organisationen, wieder einmal, in den USA bereits viel weiter fort-
geschritten war als in Europa, so dass sich meine Netzwerke mit gewisser Zwangs-
läufigkeit dorthin verzweigten. Da gab es Helmut Anheier, einen Deutschen meines
Alters, der im Program for Non-Profit-Orgamzations (PONPO) der Yale Umversity
arbeitete, mich für eine einschlägige Session des Salzburg Seminars in American
Studies nominiert und 1987 mit mir eine internationale Tagung zu Non-Profit-
Organisationen veranstaltet hatte, die sich in einem gut platzierten Tagungsband nie-
derschlug. Nahezu zeitgleich erhielt ich dann nach der Habilitation em Heisenberg-
Stipendium und die Einladung als Temporary Member der School of Social Sciences
des Institute for Advanced Study in Princeton, wo ich mit meiner damals noch nicht
vielköpfigen Familien eine sehr glückliche Zeit vor dem Antritt meiner Professur in
Konstanz verbrachte.
Eigentlich wollte ich da bereits ein weiteres Buch in Angriff nehmen, nämlich
eine vergleichende Studie über die Beziehungen zwischen Staat und Non-Profit-
Sektor in ausgewählten europäischen Ländern und den USA, aber dann kam etwas
dazwischen, nämlich der 9. November 1989. Als wir im April 1990 nach Deutsch-
land zurückkehrten, hatte ich das Gefühl, unglaublich viel verpasst zu haben und ich
stürzte mich auf die Deutsche Einheit als Forschungsgegenstand. Anderthalb Jahr-
zehnte später erschien mein Buch dazu, eine Studie über die Privatisierung der ost-
deutschen Wirtschaft und Rolle der Treuhandanstalt nach 1990. Natürlich in ver-
waltungswissenschaftlicher Perspektive. Es trägt den Titel „Verwaltete Illusionen“
und analysiert „die Treuhand“, wie sie ja kurzerhand genannt wurde, als politische
Veranstaltung. Auch hier handelte es sich um eine Organisation, eine Riesenorgani-
sation, um genau zu sein, deren politische Funktionalität im kontrollierten Scheitern
lag. Vor ihrem gesetzlichen Auftrag, selbsttragende Wirtschaftsstrukturen in Ost-
deutschland zu schaffen, konnte eine Behörde wie die Treuhand nur versagen. Sie
207
ner Habilitationsschrift, die unter dem Buchtitel „Funktionaler Dilettantismus —
erfolgreich scheiternde Organisationen zwischen Markt und Staat“ 1992 erschien,
habe ich mich mit der Politisierung von Organisationen an der Nahtstelle zwischen
Staat und Gesellschaft — „zivilgesellschaftliche Organisation“ würde man heute sagen
— beschäftigt und zu erklären versucht, dass Organisationsversagen bei der Erledi-
gung öffentlicher Aufgaben nicht notwendigerweise die Folge unzureichender
Managementfertigkeiten ist. Viele öffentliche Aufgaben, die auf der politischen
Agenda landen, sind nicht lösbar, jedenfalls nicht unter den obwaltenden Umstän-
den. Sie werden, bildlich gesprochen, zwischengelagert oder endgelagert in Organi-
sationssegmenten, die verlässlich versagen, ohne großen Arger zu machen. Das soll-
ten tunlichst nicht Organisationssegmente in der Nähe der staatlichen Kernfunktio-
nen wie Sicherheit, Ordnung, Rechtsprechung oder Gesetzgebung sein.
Dilettantismus, der politisch funktional ist, wird am besten in der Peripherie von
Staat und Markt angesiedelt, dort wo wir es mit Non-Profit-Organisationen, zivil-
gesellschaftlichen oder Nicht-Regierungsorganisationen zu tun haben. So meine
damaligen Thesen.
Die fanden dann durchaus Interesse innerhalb, aber auch außerhalb des Wis-
senschaftsbetriebs und es war mein Glück, dass die Forschung zu Nicht-Regierungs-
und Non-Profit-Organisationen, wieder einmal, in den USA bereits viel weiter fort-
geschritten war als in Europa, so dass sich meine Netzwerke mit gewisser Zwangs-
läufigkeit dorthin verzweigten. Da gab es Helmut Anheier, einen Deutschen meines
Alters, der im Program for Non-Profit-Orgamzations (PONPO) der Yale Umversity
arbeitete, mich für eine einschlägige Session des Salzburg Seminars in American
Studies nominiert und 1987 mit mir eine internationale Tagung zu Non-Profit-
Organisationen veranstaltet hatte, die sich in einem gut platzierten Tagungsband nie-
derschlug. Nahezu zeitgleich erhielt ich dann nach der Habilitation em Heisenberg-
Stipendium und die Einladung als Temporary Member der School of Social Sciences
des Institute for Advanced Study in Princeton, wo ich mit meiner damals noch nicht
vielköpfigen Familien eine sehr glückliche Zeit vor dem Antritt meiner Professur in
Konstanz verbrachte.
Eigentlich wollte ich da bereits ein weiteres Buch in Angriff nehmen, nämlich
eine vergleichende Studie über die Beziehungen zwischen Staat und Non-Profit-
Sektor in ausgewählten europäischen Ländern und den USA, aber dann kam etwas
dazwischen, nämlich der 9. November 1989. Als wir im April 1990 nach Deutsch-
land zurückkehrten, hatte ich das Gefühl, unglaublich viel verpasst zu haben und ich
stürzte mich auf die Deutsche Einheit als Forschungsgegenstand. Anderthalb Jahr-
zehnte später erschien mein Buch dazu, eine Studie über die Privatisierung der ost-
deutschen Wirtschaft und Rolle der Treuhandanstalt nach 1990. Natürlich in ver-
waltungswissenschaftlicher Perspektive. Es trägt den Titel „Verwaltete Illusionen“
und analysiert „die Treuhand“, wie sie ja kurzerhand genannt wurde, als politische
Veranstaltung. Auch hier handelte es sich um eine Organisation, eine Riesenorgani-
sation, um genau zu sein, deren politische Funktionalität im kontrollierten Scheitern
lag. Vor ihrem gesetzlichen Auftrag, selbsttragende Wirtschaftsstrukturen in Ost-
deutschland zu schaffen, konnte eine Behörde wie die Treuhand nur versagen. Sie