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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2010 — 2011

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I. Das Geschäftsjahr 2010
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Antrittsreden
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Spatz, Joachim P.: Antrittsrede von Herrn Joachim Spatz an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 17. April 2010
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https://doi.org/10.11588/diglit.55658#0205
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Joachim Spatz | 221

Kenntnis des Heidelberg Wissenschaftsstandort. Dieser „Anweisung“ folgte ich
dann auch.
Damit begann auch meine zweite prägende Zeit in der Wissenschaft. Die wis-
senschaftliche Qualität und das professionelle Wissenschaftsmanagement der Ordina-
rien Cederbaum, Grunze und Wolfrum am Institut für Physikalische Chemie war
derart lehrreich, dass man eigentlich an diesem Ort gar nicht scheitern konnte. In
dieser Zeit begann ich, Heidelberg privat wie auch wissenschaftlich-akademisch
schätzen und zu verehren. Ich lernte Vorlesungen aufzubauen, Prüfungen abzuhalten
und eine Gruppe zu etablieren — alles, was ich bis zum damaligen Zeitpunkt nicht
habe leisten müssen. Hier verwirklichte ich auch die wissenschaftliche Idee, zellulä-
re Funktion durch nanostrukturierte Grenzflächen zu steuern und analytisch zu ver-
stehen. Sie müssen sich dies dabei ganz einfach so vorstellen, dass Zellen mit ihrer
Umgebung durch Proteine in Verbindung stehen, die das Innere der Zelle mit dem
Äußeren durch die Haut der Zelle hindurch verknüpfen, sogenannte Transmem-
branrezeptoren. Wir entwickelten nun „chemische Hände“, die einzelne dieser
Rezeptoren ganz selektiv greifen können und deren Position entlang der Membran
sehr genau festlegen können. Damit konnten wir ganz entscheidende Entdeckungen
zum Anheftverhalten von Zellen an das die Zelle umgebende Material machen und
auch damit verbundene zellmechanische Aspekte beleuchten. Beispielsweise kann
man mittels dieser Methoden Krebszellen von gesunden Zellen unterscheiden und
Gewebeinvasion von Tumorzellen entscheidend untersuchen.
Im Jahr 2004 erhielt ich das Angebot der Max-Planck-Gesellschaft am Max-
Planck-Institut für Metallforschung in Stuttgart eine Abteilung für „Neue Materia-
lien und Biosysteme“ als Wissenschaftliches Mitglied der Max-Planck-Gesellschaft
zu führen. An dieser Stelle konnten wir dann so manche Materialentwicklung lei-
sten, die auch im Kontext mit der Zellbiologie und der klinischen Forschung von
Bedeutung ist. Und hier spielt meine weitere Anbindung an die Universität Heidel-
berg sowohl wissenschaftlich als auch in der Lehre eine ganz entscheidende Rolle.
Zwar ist der Spagat der Gruppe zwischen Stuttgart und Heidelberg ein großer und
kostet enorm an Energie — ist jedoch auf Grund der wissenschaftlichen Ausrichtung
meiner Gruppe nicht wegzudenken. Und so bin ich auch heute noch aktiv an der
Universität Heidelberg verankert. Es begann dann sehr schnell der administrative All-
tag in der Form, dass ich im Jahre 2007 mit der wissenschaftlichen Neuorientierung
des Max-Planck-Instituts für Metallforschung als Kommissarischer Leiter vom Prä-
sidenten der Max-Planck-Gesellschaft beauftragt wurde. Eine etwas unerwartete und
zeitlich unpassende Ehre, aber man kann ja vor Aufgaben nicht einfach weglaufen.
Neben den biologischen Anwendungen von mechanischen Messungen und
strukturierten Grenzflächen beschäftige ich mich mit meinen Mitarbeitern mit der
heterogenen Katalyse von Metalllegierungen, der Mimetik biologischer Antireflexi-
onsbeschichtungen, mit der Gewinnung von Energie mittels nanostrukturierter
Grenzflächen oder unter Ausnutzung der Fähigkeit einer biologischen Zelle, einen
Spannungsgradienten über die Membran der Zelle zu generieren — ganz allgemein
also mit der biophysikalisch-chemischen Erforschung von Materialsystemen, leben-
der oder synthetischer Natur.
 
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