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Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2010 — 2011

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I. Das Geschäftsjahr 2010
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Antrittsreden
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Krammer, Peter H.: Antrittsrede von Herrn Peter Krammer an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 30. Oktober 2010
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https://doi.org/10.11588/diglit.55658#0210
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226 | ANTRITTSREDEN

auch durch Induktion von Zelltod, Apoptose, sogar zu töten. Diese Arbeiten wurden
1989 in der Fachzeitschrift Science publiziert und sind seitdem durch viele Preise
wie den Robert-Koch-Preis, den Jung-Preis, den Lautenschläger-Preis und andere
ausgezeichnet worden. Ich kann mit Stolz und Freude behaupten, dass ich eine Viel-
zahl von äußerst motivierten und kreativen Mitarbeitern gehabt habe, die mich auf
dem langen Weg der Erforschung der Apoptose begleitet und unterstützt haben.
Natürlich bin ich dankbar für die Preise, die ich für diese Arbeit bekommen habe,
und verbinde dies auch hier mit dem Dank an meine ehemaligen und jetzigen Mit-
arbeiter. Bei Verleihung des Kitasato-Behring-Preises in Tokio wollte ich dem auch
besonders Ausdruck verleihen und habe dies in einer etwa lOmmütigen Rede auf
japanisch deutlich gemacht. Natürlich habe ich kein einziges japanisches Wort wirk-
lich verstanden, habe aber diese Rede, die ich vorher geübt hatte, offensichtlich laut-
malerisch so gut verständlich machen können, dass sie korrekt auf englisch in der
Presse wiedergegeben worden ist. Heute ist die Induktion von Zelltod bei der
Tumorbehandlung em gängiges Thema. Weiterhin gewinnt die Blockade von Wachs-
tumsfaktoren, die Tumorzellen für sich herstellen (so genanntes autokrmes Wachs-
tum) immer mehr an Bedeutung, so dass sich nach vielen Jahren der Kreis schließt,
und die initiale Idee, Tumorwachstum durch Blockade von autokrinem Tumor-
wachstum zu hemmen, ein wichtiger Bestandteil der Tumorforschung und -behand-
lung geworden ist. Dass wir einen Rezeptor auf der Zelloberfläche von Tumorzellen
entdeckt haben, der nach Aktivierung sowohl Tumorwachstum aufrechterhält als
auch, je nach Steuerung, Selbstmord von Tumorzellen hervorruft, kann man im
Nachhinein als Kombination von zielgerichtetem Forschen und Glück bezeichnen.
Durch welchen Mechanismus Tumorzellen sich zwischen Wachstum (Leben) und
Apoptose (Tod) entscheiden, gehört immer noch zu einem der spannendsten The-
men in der Tumorforschung. Sie können sich vorstellen, dass in einer Tumormasse
von etwa einem Kilogramm, was etwa einem Äquivalent von 1000 Milliarden Zel-
len entspricht (einer 1 mit 12 Nullen), einzelne Zellen durchaus unterschiedliche
Entscheidungen treffen können, was dazu führt, dass sie unterschiedliche Wege von
Wachstum oder Tod nehmen. Dass dies das Gesamtgeschehen einer Tumorsituation
und damit den Verlauf der Tumorerkrankung beim Patienten und seiner Behandlung
stark beeinflusst, ist selbstverständlich. Wir haben diese Erkenntnisse ausgenutzt, um
auf ihrer Basis em Therapeutikum herzustellen, einen löslichen Rezeptor, der
Tumorwachstumsfaktoren weg fangen kann, und der damit das Tumorwachstum
hemmt. Auf Grund dieser Ergebnisse haben wir zusammen mit dem Deutschen
Krebsforschungszentrum eine Firma, Apogemx, gegründet, die es uns hoffentlich
ermöglicht, diese Therapie in die Klinik zum Wohl der Patienten einzubringen. Die
Tatsache, dass es gelungen ist, ein Therapeutikum auf der Grundlage rationaler Expe-
rimente zu entwickeln, betrachte ich als einen der wesentlichsten Beiträge meiner
Forschung.
Meine Damen und Herren, ich möchte damit schließen, dass ich nicht ver-
hehle, dass ich mir über die Zukunft der Wissenschaft große Sorgen mache. Die gol-
denen Zeiten, die ich noch am Basel Institute for Immunology erlebt habe, sind end-
gültig vorbei. Zu spielen und sich auszuprobieren, war dort ein wesentlicher
 
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