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Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2010 — 2011

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I. Das Geschäftsjahr 2010
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Antrittsreden
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Dziuk, Gerhard: Antrittsrede von Herrn Gerhard Dziuk an der Heidelberger Akademie der Wissenschaften vom 30. Oktober 2010
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https://doi.org/10.11588/diglit.55658#0217
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Gerhard Dziuk

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die Chefs fragten, was man „Neues hatte“. Dabei ging es meist um neue Ab-
schätzungen.
Wie man überhaupt den Eindruck vermeiden sollte, dass man in der Mathe-
matik vor allem mit Gleichungen umgeht.Viel häufiger sind die Ungleichungen, und
bei deren Behandlung kommt es darauf an, bei Abschätzungen nicht zu viel zu ver-
schenken aber doch so viel zu verschenken, dass die wesentlichen Terme übrig blei-
ben. Dies ist meist em aufregendes Geschäft - wirklich - und kann eine Kunst sein.
Die Mitarbeit bei der mathematischen Ausbildung von Elektrotechnikern in
Aachen hat mich sehr geprägt. Nach der Habilitation in Aachen, in der es um ein
lange offenes Problem der Regularitätstheorie ging, folgte ich dem Ruf auf eine
Professur an der Universität Bonn. 1990 erhielt ich einen Lehrstuhl am Institut für
Angewandte Mathematik der Universität Freiburg. Ein weltbekannter Freiburger
Forscher auf dem Gebiet der Numerischen Analysis, Joachim Nitsche, interessierte
sich für meine Arbeiten zur Numerik geometrischer Evolutionsgleichungen. Der
Stochastiker Hermann Witting half mir sehr, mich in die Rolle des Institutsdirektors
einzufinden. Trotz interessanter Angebote bin ich bis heute in Freiburg geblieben.
Ich sollte Ihnen ein wenig von meinem Fachgebiet berichten. Die Sprache der
Naturwissenschaften ist weitgehend die Mathematik. Modelle für beobachtete Phä-
nomene werden meist mit Hilfe der Analysis in der Form von nichtlinearen partiel-
len Differentialgleichungen aufgeschrieben. Dieser Prozess der Modellierung ist
meiner Meinung nach eine der schwierigsten Aufgaben im Bereich der Mathema-
tik, und er kann nur in enger Zusammenarbeit mit den beteiligten Fächern erfolg-
reich gestaltet werden.
Sind die Gleichungen aufgestellt, so geht es darum, sie zu lösen. Unter
Umständen muss man das Modell verwerfen, weil man zeigen kann, dass es keine
Lösung oder keine für den Anwendungsbereich sinnvolle Lösung gibt. Die theoreti-
sche Analysis untersucht die Lösbarkeit der Gleichungen und versucht, Eigenschaf-
ten der Lösungen nachzuweisen. Die Numerik befasst sich mit der Diskretisierung
der Differentialgleichungen und der approximativen Lösung auf (normalerweise
digitalen) Rechnern. Hier tritt em fundamentales Problem auf. Partielle Differen-
tialgleichungen kann man als unendlich viele Gleichungen für unendlich viele
Unbekannte ansehen. In unendlich vielen Dimensionen gelten viele grundlegende
Aussagen aus der endlichdimensionalen Welt nicht mehr. In der Numerik ersetzt
man notgedrungen die unendlich vielen Dimensionen durch endlich viele — aber
durch sehr viele — in Abhängigkeit vom Speicher und der Geschwindigkeit des zur
Verfügung stehenden Rechners. Damit ist die theoretische mathematische Unter-
suchung dieses diskreten Modells meist relativ einfach, führt jedoch selten weiter,
denn der folgende Effekt tritt auf. In ganz hohen Raumdimensionen sieht man
gewissermaßen schon die unendlich vielen Dimensionen des Problems. Das Fazit ist,
dass man eine Numerik bauen muss, die mit der Analysis verträglich ist.
Falls Sie einen Kollegen oder eine Kollegin fragen, was der Herr Dziuk
wissenschaftlich tut, dann werden Sie erfahren, dass meine Spezialität darin besteht,
partielle Differentialgleichungen auf Flächen numerisch zu lösen. Das ist richtig, aber
es ist nur die halbe Wahrheit. Die Finite Elemente Methoden für Differentialglei-
 
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