Wörterbuch der altgaskognischen Urkundensprache | 275
und 6. Wissen. Mit B II wird nach der Bearbeitung des Menschen in seinen biolo-
gischen Gegebenheiten das Gebiet der gegenständlichen Welt vorübergehend ver-
lassen. Der Mensch als denkendes Wesen stellt die Redaktion oft vor schwer zu
fassende Begriffe. Inhalte können so eng miteinander verbunden sein, dass eine ein-
deutige begriffliche Zuordnung schwer fällt. Situationsgebundene Inhalte bedürfen
einer sorgfältigen Definition des Kontextes, um den begrifflichen Gehalt festlegen
zu können (als einfaches Beispiel sei das im Begriffssystem zu B II f3 gestellte exami-
nar „betrachten, prüfen, erwägen“ angeführt, dessen Belege sich je nach Kontext
als „(medizinisch) untersuchen“ (Gesundheit/Krankheit B I i), „in Augenschein
nehmen“ (Blick B 1 f) und schließlich als „Zeugen verhören“ (Rechtswesen B IV
c) entpuppen). B II a—f sind redaktionell abgeschlossen und liegen dem Gremium
der Mitherausgeber aus Frankreich und USA zur Durchsicht vor; im Frühjahr 2011
kann nach einem letzten Korrekturgang Faszikel 14 zur Drucklegung vorbereitet
werden.
Den Arbeitsschwerpunkt 2010 bildete die Fortsetzung der Redaktion von B
II: g) Fühlen, Affekte, h) Wille und Handlung und erste Artikel von i) Moral. Frau
Burckhardt begann im Berichtsjahr mit der Erstellung einer bibliographischen Sigel-
liste zu den DAG-Quellen nach 1300 und der Erfassung der zitierten lateinischen
und regionalfranzösischen Quellen. Dies stellt em überfälliges Desiderat für den
Nutzer dar, anhand dessen die Siglen der publizierten DAG-Faszikel 1—11 künftig
entschlüsselt werden können.
Einige Früchte der Redaktionsarbeit seien in der Folge vorgestellt. Das Altgas-
kogmsche Wörterbuch, das das lexikalische Material des französischen Südwestens
bis 1300 nach Wortinhalten zusammenstellt, schafft über die rem sprachgeschicht-
liche Forschung hinaus die Grundlage für interdisziplinäre Arbeiten zu Sprach-
geschichte, Kulturgeschichte und Volkskunde. Die stärkste fachsprachliche Färbung
des im DAG behandelten Wortschatzes ist durch die gaskognische Kanzleisprache
vertreten. Durch die zunehmende Versprachlichung des Rechts bietet die Urkun-
denlehre interessante Einblicke in die Entwicklung des rechtlichen Sprachgebrauchs
und seiner fachsprachlichen Formalisierungen. Letztere entstanden als Mittel der
Arbeitserleichterung großer Kanzleien und schufen damit eine Praxis, die sich dann
auch in privaten und notariellen Urkunden einbürgerte. Eine dieser zahlreichen ste-
reotypen Formeln wird im Artikel „que l’on sache que, sachez que (form, jund.)“
behandelt. Im Einleitungsteil einer Urkunde, bevor man im eigentlichen Textteil zur
Sache kommt, findet sich gewöhnlich eine Veröffentlichungsformel, die Publicatio.
Sie bekundet die in der Urkunde enthaltene Willenserklärung im Sinne von „allen
sei bekannt (gegeben); wir tun kund dass . . .“ (vgl. den deutschen mittelalterlichen
Sprachgebrauch „wir . . . tun chunt allen den“ 1221 und 1283, DRW online sub
kund). Sie stellt eine reine Floskel dar, die lediglich den Zweck verfolgt, die Auf-
merksamkeit des Lesers auf den folgenden Inhalt zu lenken. In den lateinischen, auf
das gaskognische Gebiet beschränkten Dokumenten finden sich dafür eine Reihe
von Wendungen: notum sit . . . que, notum sit omnibus . . . quod, notum facimus . . .
quod, sciant . . . quod, noscant . . . quod, sciant et cognoscant quod, cognoscant . . . quod,
sapiatis quod, etc. Ab dem 12. Jahrhundert tauchen in mehr oder weniger direkter
und 6. Wissen. Mit B II wird nach der Bearbeitung des Menschen in seinen biolo-
gischen Gegebenheiten das Gebiet der gegenständlichen Welt vorübergehend ver-
lassen. Der Mensch als denkendes Wesen stellt die Redaktion oft vor schwer zu
fassende Begriffe. Inhalte können so eng miteinander verbunden sein, dass eine ein-
deutige begriffliche Zuordnung schwer fällt. Situationsgebundene Inhalte bedürfen
einer sorgfältigen Definition des Kontextes, um den begrifflichen Gehalt festlegen
zu können (als einfaches Beispiel sei das im Begriffssystem zu B II f3 gestellte exami-
nar „betrachten, prüfen, erwägen“ angeführt, dessen Belege sich je nach Kontext
als „(medizinisch) untersuchen“ (Gesundheit/Krankheit B I i), „in Augenschein
nehmen“ (Blick B 1 f) und schließlich als „Zeugen verhören“ (Rechtswesen B IV
c) entpuppen). B II a—f sind redaktionell abgeschlossen und liegen dem Gremium
der Mitherausgeber aus Frankreich und USA zur Durchsicht vor; im Frühjahr 2011
kann nach einem letzten Korrekturgang Faszikel 14 zur Drucklegung vorbereitet
werden.
Den Arbeitsschwerpunkt 2010 bildete die Fortsetzung der Redaktion von B
II: g) Fühlen, Affekte, h) Wille und Handlung und erste Artikel von i) Moral. Frau
Burckhardt begann im Berichtsjahr mit der Erstellung einer bibliographischen Sigel-
liste zu den DAG-Quellen nach 1300 und der Erfassung der zitierten lateinischen
und regionalfranzösischen Quellen. Dies stellt em überfälliges Desiderat für den
Nutzer dar, anhand dessen die Siglen der publizierten DAG-Faszikel 1—11 künftig
entschlüsselt werden können.
Einige Früchte der Redaktionsarbeit seien in der Folge vorgestellt. Das Altgas-
kogmsche Wörterbuch, das das lexikalische Material des französischen Südwestens
bis 1300 nach Wortinhalten zusammenstellt, schafft über die rem sprachgeschicht-
liche Forschung hinaus die Grundlage für interdisziplinäre Arbeiten zu Sprach-
geschichte, Kulturgeschichte und Volkskunde. Die stärkste fachsprachliche Färbung
des im DAG behandelten Wortschatzes ist durch die gaskognische Kanzleisprache
vertreten. Durch die zunehmende Versprachlichung des Rechts bietet die Urkun-
denlehre interessante Einblicke in die Entwicklung des rechtlichen Sprachgebrauchs
und seiner fachsprachlichen Formalisierungen. Letztere entstanden als Mittel der
Arbeitserleichterung großer Kanzleien und schufen damit eine Praxis, die sich dann
auch in privaten und notariellen Urkunden einbürgerte. Eine dieser zahlreichen ste-
reotypen Formeln wird im Artikel „que l’on sache que, sachez que (form, jund.)“
behandelt. Im Einleitungsteil einer Urkunde, bevor man im eigentlichen Textteil zur
Sache kommt, findet sich gewöhnlich eine Veröffentlichungsformel, die Publicatio.
Sie bekundet die in der Urkunde enthaltene Willenserklärung im Sinne von „allen
sei bekannt (gegeben); wir tun kund dass . . .“ (vgl. den deutschen mittelalterlichen
Sprachgebrauch „wir . . . tun chunt allen den“ 1221 und 1283, DRW online sub
kund). Sie stellt eine reine Floskel dar, die lediglich den Zweck verfolgt, die Auf-
merksamkeit des Lesers auf den folgenden Inhalt zu lenken. In den lateinischen, auf
das gaskognische Gebiet beschränkten Dokumenten finden sich dafür eine Reihe
von Wendungen: notum sit . . . que, notum sit omnibus . . . quod, notum facimus . . .
quod, sciant . . . quod, noscant . . . quod, sciant et cognoscant quod, cognoscant . . . quod,
sapiatis quod, etc. Ab dem 12. Jahrhundert tauchen in mehr oder weniger direkter