19. Februar 2000
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Die unmittelbare Begegnung mit neuen Konzepten insbesondere der Sprach- und Litera-
turwissenschaften, die mir der SFB ermöglichte, förderte nicht nur die Arbeit an meinem
Vorhaben, sondern eröffnete auch neue Horizonte. In den letzten Jahre ist viel von dem Para-
digma der Kulturwissenschaften die Rede, von kulturwissenschaftlicher Orientierung usw.
Oft handelt es sich bei dieser Rede lediglich um eine Umetikettierung, um alten Wein in
neuen Schläuchen, und es ist offensichtlich, daß diese neue und teils modische Begnfflichkeit
noch einen gewissen Bedarf an definitorischer Klärung hat. Auf Grund meiner Erfahrungen
geht es dabei primär um eine Verbindung strukturell-institutioneller mit mental-imaginativen
Elementen, also etwa um den Zusammenhang zwischen der sozialen Konfiguration und dem
imaginaire einer Gesellschaft, ihrem Vorrat an Bildern und Vorstellungen, wie sie etwa in
Kunst und Literatur zum Ausdruck kommen. Dieser Zusammenhang bildet den Kern eines
neuen Freiburger Sonderforschungsbereiches, den ich vor einigen Jahren initiiert habe, mit
tatkräftiger Unterstützung durch Paul Goetsch und Wolfgang Raible. Unter dem Titel „Iden-
titäten und Alteritäten“ untersuchen wir in einem Ensemble sozial-, geschichts-, sprach- und
literaturwissenschaftlicher Fächer die Konstruktion und Formierung kollektiver Identitäten,
von der griechischen Polis bis hin zum modernen Nationalstaat und zu postmodernen Neu-
gruppierungen in der Epoche der Globalisierung.
Überhaupt ist mir die interdisziplinäre Arbeit geradezu ein Lebenselement und Lebenseli-
xier. So sehe ich mich schon in meinem engeren Fach primär als Altertumswissenschaftler
und bin immer wieder im Kontext dieser Fächergruppe aktiv: Anfang der 90er Jahre war ich
an der Einrichtung des Graduiertenkollegs „Vergangenheitsbezug antiker Gegenwarten“
beteiligt, dessen Sprecher ich drei Jahre lang war. Seit etlichen Jahren gehöre ich zum Team
des Attikakurses des Deutschen Archäologischen Instituts, in dessen Verlauf jedes Jahr knapp
14 Tage lang Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler aus den alter-
tumswissenschaftlichen Fächern mit den originalen Monumenten und den aktuellen For-
schungen vor Ort konfrontiert werden. 1996 wurde ich als Vertreter der Alten Geschichte in
die Zentraldirektion des DAI gewählt. So bin ich schon ein wenig stolz darauf, daß ich von
altphilologischer Seite als halber Philologe bezeichnet wurde und von archäologischer als hal-
ber Archäologe - und übrigens von griechischer Seite als halber Grieche. Sie fragen zu Recht,
was dann eigentlich noch übrig bleibt. Ich kann Ihnen aber versichern, daß mir gerade durch
die eingehende fächerübergreifende Arbeit, nicht zuletzt auch in dem erwähnten landes-
kundlich-siedlungsgeschichtlichen Projekt, sehr klar geworden ist, daß die viel beschworene
Interdisziplinarität nicht darin besteht, daß man auf anderen Gebieten dilettiert.
Eines möchte ich zum Schluß noch hervorheben. Es ist mir besonders wichtig, die Anlie-
gen meines Faches und unseres wissenschaftlichen Tuns überhaupt in die Öffentlichkeit zu
tragen und dort aktiv zu vertreten. Deshalb habe ich mich hochschulpolitisch immer wieder
engagiert, besonders in den aktuellen Debatten um die Novellierung des Universitätsgesetzes
und nun um deren Umsetzung. Mir ist aber auch wichtig, klar und deutlich vom Altertum
und seiner großen Bedeutung für unseren kulturellen Haushalt zu sprechen. Es ist mir dabei
eine Freude zu erfahren, daß auf dem Markt, von dessen Bedeutung wir so viel hören, alter-
tumswissenschaftliche Veröffentlichungen sehr gefragt sind, und es macht mir Spaß, mit auch
für ein breiteres Publikum verfaßten Büchern dazu beizutragen.
Ich denke, mit diesen beiden Hauptanliegen, dem fächerübergreifenden Gespräch und der
öffentlichen Wortmeldung in Sachen Wissenschaft, bin ich in Ihrem Kreise gut aufgehoben.
Ich danke Ihnen deshalb für die Wahl in die Akademie und hoffe, mich dieser Ehre würdig
erweisen zu können.
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Die unmittelbare Begegnung mit neuen Konzepten insbesondere der Sprach- und Litera-
turwissenschaften, die mir der SFB ermöglichte, förderte nicht nur die Arbeit an meinem
Vorhaben, sondern eröffnete auch neue Horizonte. In den letzten Jahre ist viel von dem Para-
digma der Kulturwissenschaften die Rede, von kulturwissenschaftlicher Orientierung usw.
Oft handelt es sich bei dieser Rede lediglich um eine Umetikettierung, um alten Wein in
neuen Schläuchen, und es ist offensichtlich, daß diese neue und teils modische Begnfflichkeit
noch einen gewissen Bedarf an definitorischer Klärung hat. Auf Grund meiner Erfahrungen
geht es dabei primär um eine Verbindung strukturell-institutioneller mit mental-imaginativen
Elementen, also etwa um den Zusammenhang zwischen der sozialen Konfiguration und dem
imaginaire einer Gesellschaft, ihrem Vorrat an Bildern und Vorstellungen, wie sie etwa in
Kunst und Literatur zum Ausdruck kommen. Dieser Zusammenhang bildet den Kern eines
neuen Freiburger Sonderforschungsbereiches, den ich vor einigen Jahren initiiert habe, mit
tatkräftiger Unterstützung durch Paul Goetsch und Wolfgang Raible. Unter dem Titel „Iden-
titäten und Alteritäten“ untersuchen wir in einem Ensemble sozial-, geschichts-, sprach- und
literaturwissenschaftlicher Fächer die Konstruktion und Formierung kollektiver Identitäten,
von der griechischen Polis bis hin zum modernen Nationalstaat und zu postmodernen Neu-
gruppierungen in der Epoche der Globalisierung.
Überhaupt ist mir die interdisziplinäre Arbeit geradezu ein Lebenselement und Lebenseli-
xier. So sehe ich mich schon in meinem engeren Fach primär als Altertumswissenschaftler
und bin immer wieder im Kontext dieser Fächergruppe aktiv: Anfang der 90er Jahre war ich
an der Einrichtung des Graduiertenkollegs „Vergangenheitsbezug antiker Gegenwarten“
beteiligt, dessen Sprecher ich drei Jahre lang war. Seit etlichen Jahren gehöre ich zum Team
des Attikakurses des Deutschen Archäologischen Instituts, in dessen Verlauf jedes Jahr knapp
14 Tage lang Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler aus den alter-
tumswissenschaftlichen Fächern mit den originalen Monumenten und den aktuellen For-
schungen vor Ort konfrontiert werden. 1996 wurde ich als Vertreter der Alten Geschichte in
die Zentraldirektion des DAI gewählt. So bin ich schon ein wenig stolz darauf, daß ich von
altphilologischer Seite als halber Philologe bezeichnet wurde und von archäologischer als hal-
ber Archäologe - und übrigens von griechischer Seite als halber Grieche. Sie fragen zu Recht,
was dann eigentlich noch übrig bleibt. Ich kann Ihnen aber versichern, daß mir gerade durch
die eingehende fächerübergreifende Arbeit, nicht zuletzt auch in dem erwähnten landes-
kundlich-siedlungsgeschichtlichen Projekt, sehr klar geworden ist, daß die viel beschworene
Interdisziplinarität nicht darin besteht, daß man auf anderen Gebieten dilettiert.
Eines möchte ich zum Schluß noch hervorheben. Es ist mir besonders wichtig, die Anlie-
gen meines Faches und unseres wissenschaftlichen Tuns überhaupt in die Öffentlichkeit zu
tragen und dort aktiv zu vertreten. Deshalb habe ich mich hochschulpolitisch immer wieder
engagiert, besonders in den aktuellen Debatten um die Novellierung des Universitätsgesetzes
und nun um deren Umsetzung. Mir ist aber auch wichtig, klar und deutlich vom Altertum
und seiner großen Bedeutung für unseren kulturellen Haushalt zu sprechen. Es ist mir dabei
eine Freude zu erfahren, daß auf dem Markt, von dessen Bedeutung wir so viel hören, alter-
tumswissenschaftliche Veröffentlichungen sehr gefragt sind, und es macht mir Spaß, mit auch
für ein breiteres Publikum verfaßten Büchern dazu beizutragen.
Ich denke, mit diesen beiden Hauptanliegen, dem fächerübergreifenden Gespräch und der
öffentlichen Wortmeldung in Sachen Wissenschaft, bin ich in Ihrem Kreise gut aufgehoben.
Ich danke Ihnen deshalb für die Wahl in die Akademie und hoffe, mich dieser Ehre würdig
erweisen zu können.