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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2000 — 2001

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32

Sitzungen

die auch die Schaffung von neuen Strukturen ermöglicht. Vor wenigen Monaten haben
sich mehrere Kollegen aus der Universität dazu entschlossen, ein neues Institut zu
gründen. Es handelt sich um das Institut für Nanotechnologie am Forschungszentrum
Karlsruhe. An diesem Institut arbeiten Gruppen aus den Universitäten Karlsruhe und
Strasbourg mit Gruppen des Zentrums zusammen. Die Stimmung ist optimistisch und
in die Zukunft gerichtet. Dieses Beispiel zeigt mir, dass wir auch in scheinbar festge-
fahrenen Strukturen noch zu „Befreiungsschlägen“ befähigt sind.
In diesem Sinne wünsche ich der Akademie eine gute Zukunft, und natürlich freue
ich mich auf eine gute Zusammenarbeit.

2. Herr Hans-Joachim Gehrke hält seine Antrittsrede.
Herr Präsident, meine Damen und Herren!
Daß ich Historiker geworden bin, scheint mir aus der Rückschau, die ich heute vor-
nehme, nur folgerichtig - obgleich ich als Historiker und nicht zuletzt aus der Lektüre
zahlreicher Autobiographien weiß, daß solche Folgerichtigkeit nicht selten ein Kon-
strukt nachträglicher Sinngebung sein kann. Woher das eigentlich kam, konnte ich
selbst nicht ergründen, doch Geschichte faszinierte mich schon, bevor ich - endlich -
auf der Schule mit ihr konfrontiert wurde. Sie war und blieb mein Lieblingsfach, der
Unterricht in ihr stets Kür, nicht Pflicht. Gewiß hatte das Umfeld von Kindheit und
Jugend damit zu tun, der Großvater, der ein Meister im Geschichtenerzählen war, das
Elternhaus, das liebevolle Fürsorge ausstrahlte und zu kritischer Eigenständigkeit
anhielt; oder auch der Wechsel von der aus dem Boden gestampften Arbeiterstadt Salz-
gitter-Lebenstedt, wo ich im Chaos der Nachkriegszeit geboren wurde, in die ehema-
lige welfische Residenzstadt Wolfenbüttel, in der ich vom 5. bis zum 16. Lebensjahr
prägende Erfahrungen machte, die sich später in der alten Kaiserstadt Goslar, wo ich
das Abitur ablegte, noch vertieften.
Mit dem Charme des Geschichtsunterrichts konnten die Alten Sprachen, zuallererst reine
Paukübungen, besonders in Latein, zunächst gar nicht konkurrieren. Wenn ich dennoch ein
wachsendes Interesse für das Altertum entwickelte, so lag das an einem Lehrer für Mathe-
matik und Physik, der in wilden Tertianerzeiten unser Klassenlehrer war. Sein besonderes
Anliegen war, uns das Denken beizubringen, uns zu zeigen, daß es auf den Beweis und den
Schluß und das Argument ankam. Das hat mich tief beeindruckt und beeinflußt. Dieser Leh-
rer hatte ein Hobby, das mir nur damals, aus Unkenntnis, etwas unpassend vorkam, näm-
lich die griechische Philosophie und Geschichtsschreibung. So hone ich aus seinem Munde
erstmals, in deutscher Übersetzung, Stücke aus Herodots Historien und Platons Apologie,
wenn er, wie üblich, in der letzten Stunde vor den Ferien etwas vorlas. Ich habe damals, mit
vierzehn Jahren, nicht so viel verstanden, aber ich war fasziniert, weil sich da eine ganz neue
Welt auftat, voller Leben und Klarheit.
Ich sehe es schon als Fügung an, daß ich nach dem Wechsel an das Ratsgymnasium Gos-
lar als Klassenlehrer einen blutjungen Altphilologen bekam, bei dem wir die letzten drei
Schuljahre lang griechische Texte so lasen, als handele es sich um Literatur des 20. Jahrhun-
derts. Endlich schloß sich die Schere zwischen dem sprachlichen Training und der gedank-
lich-inhaltlichen Deutung. Natürlich weiß ich mittlerweile um die Problematik solcher huma-
nistischer Annäherung und Distanzlosigkeit. Aber es hat gutgetan, Sappho so zu lesen wie
 
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