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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2000 — 2001

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104

Sitzungen

Ernst Jung wurde zum Ehrenmitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Dermatolo-
gie und Venerologie ernannt;
Wolfgang Schluchter wurde zum Mitglied des Auswahlausschusses für die Vergabe des
geisteswissenschaftlichen Forschungspreises der Alexander von Humboldt-Stiftung
bestellt;
Gottfried Seebaß wurde in den Beirat des Instituts für Europäische Geschichte in Mainz
berufen.
Wissenschaftliche Sitzung
5. Herr Matthias Kreck (Heidelberg) hält seine Antrittsrede.
Als ich erfuhr, daß mit meiner Wahl in die Akademie eine kurze Vorstellungsrede ver-
bunden ist, hatte ich spontan den Gedanken, mich mit einem kurzen Musikstück vor-
zustellen. Natürlich habe ich den Gedanken verworfen, aber seine Durchführung hätte
mir ermöglicht, in kurzer Zeit viel von mir darzustellen: Musik - ich spiele Cello -
bedeutet mir sehr viel. Ich hatte vor, Ihnen einige Takte aus Schostakovics 8. Streich-
quartett vorzuspielen, und zwar das Klagelied aus dem 4. Satz, das Ihnen, wenn Sie
dieses Quartett einmal gehört haben, wahrscheinlich in Erinnerung sein wird. Das
Streichquartett hat Schostakovic den Opfern von Krieg und Faschismus gewidmet,
und damit sind zwei Themen genannt, die in meinem Leben eine große Rolle spielen.
Ich habe mich zeitweise sehr stark in der Friedensbewegung engagiert und fühle mich
dieser Bewegung, die heute einen schweren Stand hat, nach wie vor verbunden. Von
Kindheit an hat das Thema Faschismus in meinem Elternhaus eine große Rolle
gespielt, mein Vater ist Theologe und war Mitglied der bekennenden Kirche, welche
von Persönlichkeiten wie Karl Barth und Martin Niemöller geprägt wurde. Über die
Jahre hat für mich die Bedeutung dieses Themas weiter zugenommen. Die Frage, wie
es dazu kommen konnte, daß eine Nation, die kulturell und wissenschaftlich große
Leistungen vollbracht hat, freiwillig in die schlimmste Barbarei gehen konnte, läßt
mich nicht los. Man sagt gerne, daß meine nach dem Kriege geborene Generation
keine Schuld mehr trägt. Ich sehe das anders. Wenn es als natürlich angesehen wird,
stolz auf große Leistungen in unserem Volke zu sein, auf wunderbare Dichter wie
Goethe oder Schriftsteller wie den von mir besonders geliebten Fontane, auf hervor-
ragende Wissenschaftler wie Gauß oder Einstein, dann ist es genau so natürlich, die
Schuld von Verfehlungen unserer Eltern und Großeltern mit zu tragen, Scham zu
empfinden, die Vergangenheit wach zu halten und für Gerechtigkeit zu sorgen. All
dies findet in der nach dem Kriege geborenen Generation ebenso wie bei deren Eltern
nicht oder nicht genügend statt.
Ich habe einige Antrittsreden älterer Kollegen gelesen und darin Klage über die
68er gefunden. Ich bin nun einer von der anderen Seite. Auch wenn ich mich bei der
Rückschau für die eine oder andere Aktion schäme, so war diese Zeit politisch für
mich ein großes Erwachen. Ich bin froh, als Randfigur an dem Bemühen um die
Grundlagen einer gerechteren Welt beteiligt gewesen zu sein. „Das Kapital“ von Karl
Marx ist für mich auch heute noch eines der überzeugendsten wissenschaftlichen
Werke, die ich gelesen habe, und die meisten Grundideen - insbesondere was die Ana-
lyse des Kapitalismus betrifft - scheinen mir nach wie vor Gültigkeit zu haben. Ich
 
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