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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2000 — 2001

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Sitzungen

Phasen, nach Leroi-Gourhan, „wie die Soziologie langsam an die Stelle der Zoologie
tritt.“
Zwei Vorschläge sind in diesem Zusammenhang von Belang: Die ständige Exteriori-
sierung des Menschen, die als Kontrolle von Entropie den Grundriß einer künstlichen
Umwelt bildet; sodann die Rückkoppelungsschleife, die als Prägung menschlicher
Plastizität den Urheber dieser Künstlichkeit seinen Ordnungsmustern aussetzt.
Unter Exteriorisierung sind ständige Befreiungsvorgänge zu verstehen, für die die
Hand als Befreiung von der Fortbewegung das zentrale Paradigma bildet. Solche Exte-
riorisierungen, die von der Hand über die Muskeln bis hin zum Gehirn erfolgen, sind
durch einen Doppelaspekt gekenzeichnet: menschliche Organe bilden die Muster,
deren Extrapolation zu Modellen dafür werden, wie auf Umwelt ausgegriffen werden
kann.
Was nun die verschiedenartigen Exteriorisierungen kennzeichnet, ist ein allen
gemeinsamer Doppelaspekt; denn sie sind zum einen Abstraktionen von dem, was ver-
fügbar ist, und zum anderen dienen die so gewonnenen Modelle der Erschließung
kontingenter Umwelt. Als Abstraktionen sind sie Modelle von etwas, als Topogra-
phierung sind sie Modelle für etwas. Exteriorisierung indes erweist sich als ein unauf-
haltsamer Prozeß, weil sich mit jeder erreichten Ordnung auch ein Maß an Unord-
nung einstellt, die es ihrerseits zu bewältigen gilt. Diese Unordnung manifestiert sich
in verschiedener Form; sie ist Kontingenz, wenn es um Erschließungsoperationen
entropischer Umwelt geht, und sie ist weißes Rauschen, wenn vorhandene Ordnun-
gen sich wechselseitig stören, was nach Verarbeitung in der jeweils gestörten Ordnung
verlangt. In jedem Falle aber ist Exteriorisierung Befreiung von einem erreichten
Zustand, dessen zwangsläufige Begrenztheit zum Antrieb erneuten Freisetzens wird,
um auf Unbewältigtes auszugreifen.
Exteriorisierung indes ist nur eine Variante, um sich die Entstehung und Struktu-
rierung von Kultur plausibel zu machen; die andere, damit verbundene, ist die Rück-
koppelungsschleife. Verläuft Exteriorisierung als ein Vorgang unentwegter Befreiung,
so läßt sich die Rückkoppelung als deren Antrieb verstehen. Die Rückkoppungs-
schleife hat nun insofern Konsequenzen für die Plastizität des Menschen, als diese ihre
Prägungen von dem erfährt, was sich aus den Interventionen in Entropie ergeben hat.
Beginnt Kultur als Eingriff in Entropie, so modellieren die Rückmeldungen die Plasti-
zität des Menschen, der auf diese Weise sich selber schafft und folglich zu einem kul-
turellen Artefakt wird.
An diesem Punkt berühren sich die beiden Strategien. Betont die Exteriorisierung
eine Befreiung von erreichten Zuständen, die sich als Abstraktion zum Zweck der
Modellbildung vollzieht, so ist ein solches unentwegtes Übersteigen doch nicht auf ein
fernes Ziel angelegt. Darüber hinaus erfolgen Exteriorisierungen durchaus nicht in
konsequenten Schritten, vielmehr bedarf es zu den von solcher Befreiung erwarteten
Absicherungen vieler Probierbewegungen. An diesem Punkt kommt die Rückkoppe-
lung zum Tragen. Denn das Exteriorisierungsbestreben ließe sich als input verstehen,
der als veränderter Output zurückkehrt und damit allererst die Aufmerksamkeit auf
den Charakter der Fehlschläge erzeugt, die es nun in den nächsten Ausgriff umzu-
setzten gilt.
Um das zureichend zu verdeutlichen, ist noch eine weitere Überlegung notwendig.
Ergibt sich Kultur aus Eingriffen in Entropie, so ist bereits deren Spaltung in Ordnung
und Kontingenz eine Hervorbringung, da es diese vorher nicht gab. Rekursiv verlau-
 
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