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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2000 — 2001

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Hendrik B. Casimir

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onsphänomene. Auf der Basis dieser Arbeit ließ sich die unterschiedliche Temperatur
von magnetischen Systemen in bezug auf die Gittertemperaturen verstehen.
Casimir wurde 1938 ordentlicher Professor der Physik an der Universität von Lei-
den. Dort studierte er den Zusammenhang zwischen der Wärmeleitung und der elek-
trischen Leitung. Das führte zu entscheidenden Beiträgen zur Erreichung von Milli-
kelvin-Temperaturen.
Während des 2. Weltkrieges im Jahre 1942 trat Casimir in die Phihps-Forschungs-
laboratorien in Eindhoven ein. Obwohl er in diesen Laboratorien zunehmend Mana-
gementaufgaben für die Konzernforschung wahrnehmen mußte, blieb er doch als Wis-
senschaftler aktiv und schrieb beispielsweise eine Arbeit über Lars Onsagers Prinzip
der mikroskopischen Reversibilität. 1948 publizierte er mit Dik Polder eine Arbeit
über den Einfluß der Retardierung bei den London-van der Waals-Kräften. Diese spä-
ter als Casimir-Kraft bekanntgewordene winzige Anziehung wurde erst 1996 von
Steve Lamoreaux im Los Alamos National Laboratory nachgewiesen. Sie war in voll-
ständiger Übereinstimmung mit der Theorie von Casimir und Polder. 1957 trat Casi-
mir in den Vorstand der Philips AG ein und war dann für die Philips-Forschung welt-
weit verantwortlich. Nach seinem Ruhestand bei Philips im Jahr 1972 verfolgte er
weiterhin mit großer Aktivität wissenschaftliche Fragestellungen, befruchtete aber
auch in hohem Maße die physikalische Forschung und Standespolitik in Holland und
in Europa.
Casimirs erste bedeutende Arbeit war die über die Quadrupolwechselwirkung in
Atomen. Er hatte in seiner Kopenhagener Zeit gelernt, wie man Wellenfunktionen
ansetzen muß, um brauchbare Ergebnisse für die Kontakt-Wechselwirkung und den
Feldgradianten atomarer Elektronen zu berechnen. Dadurch war es möglich, aus den
gemessenen Hyperfeinstrukturaufspaltungen die Kernquadrupolmomente zu berech-
nen. Sein Interesse an diesem Gebiet ist nie erlahmt. Auf den Atomphysikkonferen-
zen, beispielsweise in Heidelberg im Jahre 1974, war er ein interessierter Zuhörer bis
weit in die achtziger Jahre hinein. Als einer der führenden Atomtheoretiker seiner Zeit
stand er im wissenschaftlichen Austausch mit sehr vielen Kollegen, die sich von der
experimentellen Seite her den Kernquadrupolmomenten widmeten. Hier ist die schon
in der Kopenhagener Zeit begründete Freundschaft mit unserem verstorbenen Hei-
delberger Akademiemitglied Hans Kopfermann besonders zu erwähnen, die zu mehr-
fachen Besuchen in Heidelberg und der Akademie führte.
Casimirs Zeit als Forschungsdirektor bei Philips war durch den 2. Weltkrieg über-
schattet. In der Zeit der Besetzung Hollands durch die deutsche Wehrmacht mußte
das Labor versuchen, zu überleben. Unmittelbar nach Ende des 2. Weltkrieges
knüpfte Casimir geschickt und unter Ausnutzung seiner alten Beziehungen das inter-
nationale Forschungsnetz neu. Seine besondere Bedeutung für die Philips-For-
schungslaboratorien lag wohl darin, daß er über ein ungemein breites Interessen- und
Kenntnisspektrum der Physik verfügte und das Labor allein unter Qualitätsmaßstäben
führte. Er erzeugte dort eine Atmosphäre der Kreativität und ließ neben den für die
Firma wichtigen Entwicklungen auch ein beträchtliches Maß an Grundlagenforschung
zu.
Eine andere wichtige Komponente in Casimirs wissenschaftlichen Leben war sein
Einsatz für den Berufsstand der Physiker in Holland und in Europa und die interna-
tionalen Beziehungen. Er war Gründungsmitglied der Europäischen Physikalischen
Gesellschaft im Jahr 1968 und wurde 1972 nach seinem Rücktritt aus der Geschäfts-
 
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