5. Juni 2010 I 49
für den Anschluß an das entstehende Königreich Italien ausgesprochen hatte6. Am
7. November zogen der König und Garibaldi zusammen in Neapel ein.
In den Folgejahren versuchte Garibaldi noch zweimal, die Eingliederung
Roms in das Königreich Italien mit Waffengewalt zu erzwingen und ihm dadurch
die von der Nation beanspruchte Hauptstadt zu verschaffen. 1862 wurde er am
Aspromonte in Kalabrien durch italienische Truppen aufgehalten; 1867 unterlag er
bei Mentana in Latium den Truppen des Papstes und einem eilig entsandten neuen
französischen Interventionskorps. Mit diesen beiden Aktionen forderte Garibaldi
anders als 1860 jedoch nicht mehr den König persönlich, sondern die verfassungs-
mäßige Ordnung des 1861 gegründeten Nationalstaats heraus. Gegen die vom Par-
lament getragene Regierung blieb das Charisma des Volkshelden wirkungslos.
General Michail Dmitrievic Skobelev entstammte einer Offiziersfamilie7.
Seinem Großvater war aufgrund seiner Verdienste in den Kriegen gegen Napoleon
der erbliche Adel verliehen worden. Bekannt und populär wurde Skobelev im rus-
sisch-türkischen Krieg von 1877/78. Ein Kommando hatte er allerdings erst erhal-
ten, als der dritte Versuch, die Festung Plevna in Bulgarien einzunehmen, gescheitert
war. Rußland drohte eine Blamage. Nachdem Plevna schließlich erobert war, gelang
der Armee wesentlich dank Skobelevs Einsatz der Durchbruch am Shipka-Pass. Sem
Ruf verbreitete sich sofort im gesamten Russischen Reich. Im Jahre 1880 wurde
Skobelev daraufhin mit der Führung einer Militärexpedition gegen die Turkmenen
beauftragt. Rußland strebte nach der Kontrolle der Gebiete im Osten des Kaspischen
Meers, um die Verbindungen nach Afghanistan zu sichern. Im Jahr zuvor war an
derselben Stelle bereits eine russische Armee gescheitert. Daß eine europäische
Großmacht nicht in der Lage sein sollte, mit 20.000 Stammeskriegern fertig zu wer-
den, beunruhigte den Zaren und verletzte den russischen Nationalstolz. Dadurch
wurde die Unterwerfung der Turkmenen zu einer Frage der nationalen Ehre. Am
12. Januar 1881 gelang Skobelev die Einnahme der turkmenischen Festung Geok-
Tepe. Als er im April wieder in Moskau eintraf, wurde er am Bahnhof von 25.000
Menschen begeistert empfangen. Der Generalgouverneur der Stadt kommentierte
die Szene tags darauf mit dem Satz: „Gestern habe ich Bonaparte gesehen, wie er aus
Ägypten zurückkehrte“8. Der österreichisch-ungarische Botschafter Graf Kalnoky
berichtete nach Wien, Skobelev sei „der nationale Held und unbedingt der populär-
ste Mann im russischen Reiche“9.
6 Am 21. Oktober sprachen sich in Sizilien 432.053 Stimmberechtigte für den Anschluß an das
Königreich Sardinien und 667 dagegen aus. Am 30. Oktober 1860 sprachen sich im festländi-
schen Teil des Königreichs beider Sizilien 1.302.064 Stimmberechtigte für den Anschluß und
10.312 dagegen aus.Vgl. Mongiano, Elisa, II „voto della Nazione“. I plebisciti nella formazione del
Regno d’Italia (1848—60),Torino 2003, S. 336, 327.
Zu Skobelev vgl. vor allem: Rogger, Hans,The Skobelev Phenomenon: the Hero and his Worship,
in: Oxford Slavomc Papers, New Series 9 (1976), S. 46—78.
8 Zit. nach: Rogger, Skobelev Phenomenon, S. 58.
9 Zit. nach: Rutkowski, Emst R. von, General Skobelev, die Krise des Jahres 1882 und die Anfänge
der militärischen Vereinbarungen zwischen Österreich-Ungarn und Deutschland, in: Ostdeutsche
Wissenschaft 10/11 (1963/64), S. 90.
für den Anschluß an das entstehende Königreich Italien ausgesprochen hatte6. Am
7. November zogen der König und Garibaldi zusammen in Neapel ein.
In den Folgejahren versuchte Garibaldi noch zweimal, die Eingliederung
Roms in das Königreich Italien mit Waffengewalt zu erzwingen und ihm dadurch
die von der Nation beanspruchte Hauptstadt zu verschaffen. 1862 wurde er am
Aspromonte in Kalabrien durch italienische Truppen aufgehalten; 1867 unterlag er
bei Mentana in Latium den Truppen des Papstes und einem eilig entsandten neuen
französischen Interventionskorps. Mit diesen beiden Aktionen forderte Garibaldi
anders als 1860 jedoch nicht mehr den König persönlich, sondern die verfassungs-
mäßige Ordnung des 1861 gegründeten Nationalstaats heraus. Gegen die vom Par-
lament getragene Regierung blieb das Charisma des Volkshelden wirkungslos.
General Michail Dmitrievic Skobelev entstammte einer Offiziersfamilie7.
Seinem Großvater war aufgrund seiner Verdienste in den Kriegen gegen Napoleon
der erbliche Adel verliehen worden. Bekannt und populär wurde Skobelev im rus-
sisch-türkischen Krieg von 1877/78. Ein Kommando hatte er allerdings erst erhal-
ten, als der dritte Versuch, die Festung Plevna in Bulgarien einzunehmen, gescheitert
war. Rußland drohte eine Blamage. Nachdem Plevna schließlich erobert war, gelang
der Armee wesentlich dank Skobelevs Einsatz der Durchbruch am Shipka-Pass. Sem
Ruf verbreitete sich sofort im gesamten Russischen Reich. Im Jahre 1880 wurde
Skobelev daraufhin mit der Führung einer Militärexpedition gegen die Turkmenen
beauftragt. Rußland strebte nach der Kontrolle der Gebiete im Osten des Kaspischen
Meers, um die Verbindungen nach Afghanistan zu sichern. Im Jahr zuvor war an
derselben Stelle bereits eine russische Armee gescheitert. Daß eine europäische
Großmacht nicht in der Lage sein sollte, mit 20.000 Stammeskriegern fertig zu wer-
den, beunruhigte den Zaren und verletzte den russischen Nationalstolz. Dadurch
wurde die Unterwerfung der Turkmenen zu einer Frage der nationalen Ehre. Am
12. Januar 1881 gelang Skobelev die Einnahme der turkmenischen Festung Geok-
Tepe. Als er im April wieder in Moskau eintraf, wurde er am Bahnhof von 25.000
Menschen begeistert empfangen. Der Generalgouverneur der Stadt kommentierte
die Szene tags darauf mit dem Satz: „Gestern habe ich Bonaparte gesehen, wie er aus
Ägypten zurückkehrte“8. Der österreichisch-ungarische Botschafter Graf Kalnoky
berichtete nach Wien, Skobelev sei „der nationale Held und unbedingt der populär-
ste Mann im russischen Reiche“9.
6 Am 21. Oktober sprachen sich in Sizilien 432.053 Stimmberechtigte für den Anschluß an das
Königreich Sardinien und 667 dagegen aus. Am 30. Oktober 1860 sprachen sich im festländi-
schen Teil des Königreichs beider Sizilien 1.302.064 Stimmberechtigte für den Anschluß und
10.312 dagegen aus.Vgl. Mongiano, Elisa, II „voto della Nazione“. I plebisciti nella formazione del
Regno d’Italia (1848—60),Torino 2003, S. 336, 327.
Zu Skobelev vgl. vor allem: Rogger, Hans,The Skobelev Phenomenon: the Hero and his Worship,
in: Oxford Slavomc Papers, New Series 9 (1976), S. 46—78.
8 Zit. nach: Rogger, Skobelev Phenomenon, S. 58.
9 Zit. nach: Rutkowski, Emst R. von, General Skobelev, die Krise des Jahres 1882 und die Anfänge
der militärischen Vereinbarungen zwischen Österreich-Ungarn und Deutschland, in: Ostdeutsche
Wissenschaft 10/11 (1963/64), S. 90.