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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2013 — 2014

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I. Das akademische Jahr 2013
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Wissenschaftliche Sitzungen
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Sitzung der Math.-nat. Klasse am 25. Oktober 2013
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Richter, Achim: Billards, Photonische Kristalle und Graphen
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https://doi.org/10.11588/diglit.55655#0083
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106

SITZUNGEN

Übertragung des Konzepts von klassischem deterministischem Chaos auf Quanten-
systeme [1 ] entspricht der Billardkugel ein punktförmiges Teilchen in einem Poten-
tialtopf mit unendlich hohen Wänden, in dem die Energie des Teilchens in Einhei-
ten des Planck’schen Wirkungsquantums gequantelt ist. Die Wahrscheinlichkeit
dafür, das Teilchen an einem bestimmten Ort im Potentialtopf zu finden, d.h. seine
quantenmechanische Wellenfunktion, ist null entlang der Wand des Potentialtopfes.
Wie kann nun die Bewegung des Teilchens im Potentialtopf, die durch die nicht
relativistische Schrödinger-Gleichung beschrieben wird, experimentell simuliert
werden?
Das ist mit Hilfe flacher, zylindrischer elektromagnetischer Mikrowellenreso-
natoren möglich, deren Querschnitt die Form des klassischen Billards hat. Die
Wellenausbreitung in einem derartigen Mikrowellenbillard wird durch eine Helm-
holtz-Gleichung aus der Elektrodynamik beschrieben, die in ihrer mathematischen
Struktur formal identisch ist mit der Schrödinger-Gleichung aus der Quanten-
mechanik. Die Energieeigenwerte und die Wellenfunktion eines Quantenbillards
korrespondieren zu den Eigenfrequenzen und zum elektrischen Feld eines elektro-
magnetischen Resonators entsprechender Form [2], Diese Analogie lässt erwarten,
dass sowohl die Anregungsspektren von makroskopischen Quantenbillards (simu-
liert durch Mikrowellenbillards) als auch die komplexerer, mikroskopischer quan-
tenmechanischer Vielteilchensysteme wie Atome, Moleküle, Kerne und Elementar-
teilchen bestimmte universelle, nicht systemspezifische, d.h. generische Eigenschaf-
ten besitzen, die als Manifestation von Quantenchaos interpretiert werden können.
Wie im Vortrag am Beispiel der statistischen Verteilung der Abstände benachbarter
Resonanzen im Spektrum chaotischer Systeme verschiedener Grösse demonstriert
wird, zeigen alle gemessenen Verteilungen tatsächlich ein universelles Verhalten —
kleine und grosse Resonanzabstände treten selten auf — in Übereinstimmung mit
Vorhersagen aus der sog. Theorie der Zufallsmatrizen [3], Insbesondere sind die
Ergebnisse in Übereinstimmung mit der Vermutung von Bohigas, Giannom und
Schmit [4], dass „die spektralen Eigenschaften eines generisch-chaotischen Systems
die gleichen sind wie die von Zufallsmatrizen eines Gaußschen Orthogonalen
Ensembles (GOE)“.
Ausgehend von der im ersten Teil des Vortrags vorgestellten Modellierung von
Quantenbillards und deren spektralen Eigenschaften wird im zweiten Teil über die
Simulation von Graphen mit Hilfe von photonischen Kristallen diskutiert. Der
Nobelpreis für Physik im Jahr 2010 wurde gemeinsam an Andre Geirn und Kon-
stantin Novoselov „for groundbreaking experiments regarding the two-dimensional
material graphene“ verliehen. Graphen [5] besteht aus einer Monolage von Kohlen-
stoffatomen, von denen jeweils sechs Atome an den Ecken eines bienenwabenarti-
gen Kristallgitters sitzen. Das elektronische Eeitungsband und ebenso wie das Valenz-
band besitzen eine kegelförmige Struktur, und die Spitzen der Kegel berühren sich
an den Ecken der hexagonalen Brillouinzone. Die Physik an diesen speziellen Punk-
ten („Dirac-Punkte“) wird durch eine relativistische Dirac-Gleichung beschrieben,
im Gegensatz zur Physik in den Billards aus dem ersten Teil des Vortrags, für die die
nichtrelativistische Schrödingergleichung ausreichend war.
 
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