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SITZUNGEN
ren Patienten und den Behandlern herzustellen. Nur wenn man gemeinsam an
einem Strang zieht, sind Behandlungen erfolgreich und können Konflikte bis hin zu
rechtlichen Konflikten vermieden werden.
Die heute möglichen Heilungsraten, insbesondere in der pädiatrischen Onko-
logie, sind die Erfolgsgeschichte der Krebsmedizin, allerdings über Jahrzehnte
gewachsen und erkauft mit Therapien, Zytostatika, Bestrahlung und Knochenmark-
transplantation, die den Patienten an den Rand bringen und häufig zu tödlichen
Komplikationen fuhren. Ich erinnere mich an die Anfangszeit dieser Erfolge, in der
ein Großteil unserer Patienten unmittelbar an den Folgen unserer Therapie, wie Blu-
tungen oder Infektionen, verstorben ist. Das Prinzip des „Nihil Nocere“ der hippo-
kratischen Tradition wurde dabei eklatant gebrochen. Die Schwestern haben uns oft
gefragt, ob es ethisch vertretbar sei, solche Therapien zu machen und uns gelegentlich
aufgefordert, den Patienten in Ruhe sterben zu lassen. Aber es ist uns gelungen, durch
diese Behandlung eine mit Sicherheit tödliche Erkrankung heilbar zu machen.
3. Der Patient als Objekt — Universitäre Medizin und Klinische Studien
Wir entwickeln gerade in der Onkologie derzeit sehr viele neue Therapiekonzepte,
die z. T. in klinischen Studien erprobt werden. Dabei unterscheiden wir verschiede-
ne Phasen klinischer Studien. In den „first in man“- oder „Phase-O/Phase-1“-
Studien wird zunächst einmal ein neues Medikament oder eine neue Maßnahme
dahingehend überprüft, ob und zu welchen Nebenwirkungen sie führt. Ein direkter
Wirkungsbeweis ist dabei nicht vorgesehen. In Phase-2-Studien wird in einem
bestimmten Setting überprüft, ob das neue Medikament Wirkung zeigt. In Phase-3-
Studien wird die neue Behandlung in der Regel mit der etablierten Behandlung
verglichen und in Phase-4-Studien schlussendlich eine Ausweitung auf andere Indi-
kationsgebiete, z. B. andere Tumorarten, untersucht. Grundsätzlich ist die Teilnahme
für den Patienten an einer solchen Studie selbstverständlich freiwillig. Aufgrund der
Erfahrungen der Vergangenheit ist, insbesondere in Deutschland, aber inzwischen
auch im europäischen Recht, die Teilnahme und Durchführung klinischer Studien
erheblich restringiert. Zum einen ist hier der Patientenschutz zu beachten, zum
anderen aber auch, sicherlich nicht unberechtigt, die korrekte und jederzeit über-
prüfbare Durchführung der Studien. Jede dieser klinischen Studien muss durch eine
Ethikkommission genehmigt werden, bei denen viele Aspekte zu berücksichtigen
sind. Hier wieder eine Anmerkung des Pädiaters: Aufgrund der schrecklichen Erfah-
rungen in Deutschland während der Nazi-Zeit, aber auch in anderen Ländern, mit
Versuchen an nicht-einwilligungsfähigen Personen, insbesondere an Behinderten
und Kindern, sind diese Personengruppen automatisch von frühen klinischen Stu-
dien ausgeschlossen. Da viele Erkrankungen bei Kindern für die Pharmaindustrie
aufgrund der geringen Fallzahl nicht besonders relevant sind und darüber hinaus
z.B. auch Tumorerkrankungen im Kindesalter Besonderheiten aufweisen, die im
Erwachsenenalter so nicht vorkommen, ist damit durch diese ethischen Einschrän-
kungen übrigens die Entwicklung neuer Medikamente, z. B. zur Behandlung von
Krebserkrankungen im Kindesalter, behindert.
SITZUNGEN
ren Patienten und den Behandlern herzustellen. Nur wenn man gemeinsam an
einem Strang zieht, sind Behandlungen erfolgreich und können Konflikte bis hin zu
rechtlichen Konflikten vermieden werden.
Die heute möglichen Heilungsraten, insbesondere in der pädiatrischen Onko-
logie, sind die Erfolgsgeschichte der Krebsmedizin, allerdings über Jahrzehnte
gewachsen und erkauft mit Therapien, Zytostatika, Bestrahlung und Knochenmark-
transplantation, die den Patienten an den Rand bringen und häufig zu tödlichen
Komplikationen fuhren. Ich erinnere mich an die Anfangszeit dieser Erfolge, in der
ein Großteil unserer Patienten unmittelbar an den Folgen unserer Therapie, wie Blu-
tungen oder Infektionen, verstorben ist. Das Prinzip des „Nihil Nocere“ der hippo-
kratischen Tradition wurde dabei eklatant gebrochen. Die Schwestern haben uns oft
gefragt, ob es ethisch vertretbar sei, solche Therapien zu machen und uns gelegentlich
aufgefordert, den Patienten in Ruhe sterben zu lassen. Aber es ist uns gelungen, durch
diese Behandlung eine mit Sicherheit tödliche Erkrankung heilbar zu machen.
3. Der Patient als Objekt — Universitäre Medizin und Klinische Studien
Wir entwickeln gerade in der Onkologie derzeit sehr viele neue Therapiekonzepte,
die z. T. in klinischen Studien erprobt werden. Dabei unterscheiden wir verschiede-
ne Phasen klinischer Studien. In den „first in man“- oder „Phase-O/Phase-1“-
Studien wird zunächst einmal ein neues Medikament oder eine neue Maßnahme
dahingehend überprüft, ob und zu welchen Nebenwirkungen sie führt. Ein direkter
Wirkungsbeweis ist dabei nicht vorgesehen. In Phase-2-Studien wird in einem
bestimmten Setting überprüft, ob das neue Medikament Wirkung zeigt. In Phase-3-
Studien wird die neue Behandlung in der Regel mit der etablierten Behandlung
verglichen und in Phase-4-Studien schlussendlich eine Ausweitung auf andere Indi-
kationsgebiete, z. B. andere Tumorarten, untersucht. Grundsätzlich ist die Teilnahme
für den Patienten an einer solchen Studie selbstverständlich freiwillig. Aufgrund der
Erfahrungen der Vergangenheit ist, insbesondere in Deutschland, aber inzwischen
auch im europäischen Recht, die Teilnahme und Durchführung klinischer Studien
erheblich restringiert. Zum einen ist hier der Patientenschutz zu beachten, zum
anderen aber auch, sicherlich nicht unberechtigt, die korrekte und jederzeit über-
prüfbare Durchführung der Studien. Jede dieser klinischen Studien muss durch eine
Ethikkommission genehmigt werden, bei denen viele Aspekte zu berücksichtigen
sind. Hier wieder eine Anmerkung des Pädiaters: Aufgrund der schrecklichen Erfah-
rungen in Deutschland während der Nazi-Zeit, aber auch in anderen Ländern, mit
Versuchen an nicht-einwilligungsfähigen Personen, insbesondere an Behinderten
und Kindern, sind diese Personengruppen automatisch von frühen klinischen Stu-
dien ausgeschlossen. Da viele Erkrankungen bei Kindern für die Pharmaindustrie
aufgrund der geringen Fallzahl nicht besonders relevant sind und darüber hinaus
z.B. auch Tumorerkrankungen im Kindesalter Besonderheiten aufweisen, die im
Erwachsenenalter so nicht vorkommen, ist damit durch diese ethischen Einschrän-
kungen übrigens die Entwicklung neuer Medikamente, z. B. zur Behandlung von
Krebserkrankungen im Kindesalter, behindert.