14. Dezember 2013 | 123
Unabhängig von diesen Rahmenbedingungen können sich im Alltag häufig
konkrete Probleme in der Behandlung z. B. von Patienten in aussichtslosen Situatio-
nen ergeben. Ein früher Rückfall einer Leukämie, eine bestimmte Subgruppe von
Tumorerkrankungen, die wir inzwischen gut identifizieren können, haben u. U. eine
extrem schlechte Diagnose. Das heißt, der Patient wird mit den uns derzeit zur
Verfügung stehenden Mitteln z. B. nur eine Überlebenschance von 5—10% haben. In
dieser Situation werden wir mit dem Patienten bzw. den Eltern besprechen, dass wir
in diesem Fall, übrigens auch unabhängig von einer klinischen Studie, einen neuen
Therapieansatz erproben bzw. ein neues Medikament einsetzen wollen. Dürfen wir,
auch wenn wir mit einem hohen Prozentsatz mit schwerwiegenden Nebenwirkun-
gen zu rechnen haben, als Ärzte an einem Patienten etwas Neues erproben? Dürfen
wir Patienten dazu überreden, weil wir ein Interesse haben gegebenenfalls die
Wirkung unserer eigenen Forschung in der Praxis zu überprüfen? Ich meine
grundsätzlich, dass hier ebenfalls, das schon zuvor skizzierte Prinzip gilt: Patient, bzw.
in unserem Fall häufig Eltern und Patient, und Arzt müssen eine therapeutische Ein-
heit bilden. In einem Fall kann es vollkommen gerechtfertigt sein, dass wir eine
experimentelle Therapie gemeinsam mit dem Patienten durchfuhren, auch wenn es
nur eine geringe Heilungschance gibt. Das Ergreifen des letzten Strohhalms ist eine
echte Option, wenn es dafür eine rationale, wissenschaftliche Grundlage gibt und
wir uns über den experimentellen Charakter der Behandlung einig sind. Im umge-
kehrten Fall ist es allerdings auch vollkommen akzeptabel, wenn die Eltern — auch
in der Problematik der Entscheidung an Kindesstatt — eine weitergehende Therapie
ablehnen. In diesem Fall hat aus meiner Sicht der Arzt den Patienten weiter zu
begleiten und die Entscheidung zu respektieren. Mir ist in der eigenen Karriere bis-
her übrigens kein Fall bekannt, in dem wir hier tatsächlich in eine Konfliktsituation
geraten wären.
4. Darf man alles machen, was man kann?
Medizin als Werkzeug — Doping und Enhancement
Zu diesem Thema gibt es viele Aspekte, die von Performance-Verbesserung über
Schönheitsoperationen bis hin zu moralischen, ethischen Fragen im Alltag insbeson-
dere in der Universitätsmedizin führen. Letztendlich steckt dahinter die Frage, ob man
medizinische Erkenntnisse zur Verbesserung von Performance, Aussehen, Leistung etc.
nutzen darf. Wir alle kennen diese Thematik im Zusammenhang mit Doping. Im
Sinne der Steigerung von Aufmerksamkeit, Leistungsbereitschaft und Verbesserung
der kognitiven Fähigkeiten benutzen viele von uns, wenn nicht alle, in der Kaffee-
pause entsprechende Mittel. Ich will diesen Aspekt nicht zu weit treiben, aber die
Grenzen zwischen Therapie und Leistungssteigerung im Sinne eines „Enhancement“
sind fließend. Auch Impfungen sind letztendlich ein Mittel, unsere natürliche Ausstat-
tung zum Umgang mit Infektionen prophylaktisch zu verbessern. Aus dem Spektrum
ethischer Implikationen möchte ich nur zwei Aspekte herausgreifen.
Ein großer Fortschritt, u. a. auch durch die Molekularbiologie gefördert,
war die Möglichkeit, körpereigene Substanzen gentechnisch herzustellen und den
Unabhängig von diesen Rahmenbedingungen können sich im Alltag häufig
konkrete Probleme in der Behandlung z. B. von Patienten in aussichtslosen Situatio-
nen ergeben. Ein früher Rückfall einer Leukämie, eine bestimmte Subgruppe von
Tumorerkrankungen, die wir inzwischen gut identifizieren können, haben u. U. eine
extrem schlechte Diagnose. Das heißt, der Patient wird mit den uns derzeit zur
Verfügung stehenden Mitteln z. B. nur eine Überlebenschance von 5—10% haben. In
dieser Situation werden wir mit dem Patienten bzw. den Eltern besprechen, dass wir
in diesem Fall, übrigens auch unabhängig von einer klinischen Studie, einen neuen
Therapieansatz erproben bzw. ein neues Medikament einsetzen wollen. Dürfen wir,
auch wenn wir mit einem hohen Prozentsatz mit schwerwiegenden Nebenwirkun-
gen zu rechnen haben, als Ärzte an einem Patienten etwas Neues erproben? Dürfen
wir Patienten dazu überreden, weil wir ein Interesse haben gegebenenfalls die
Wirkung unserer eigenen Forschung in der Praxis zu überprüfen? Ich meine
grundsätzlich, dass hier ebenfalls, das schon zuvor skizzierte Prinzip gilt: Patient, bzw.
in unserem Fall häufig Eltern und Patient, und Arzt müssen eine therapeutische Ein-
heit bilden. In einem Fall kann es vollkommen gerechtfertigt sein, dass wir eine
experimentelle Therapie gemeinsam mit dem Patienten durchfuhren, auch wenn es
nur eine geringe Heilungschance gibt. Das Ergreifen des letzten Strohhalms ist eine
echte Option, wenn es dafür eine rationale, wissenschaftliche Grundlage gibt und
wir uns über den experimentellen Charakter der Behandlung einig sind. Im umge-
kehrten Fall ist es allerdings auch vollkommen akzeptabel, wenn die Eltern — auch
in der Problematik der Entscheidung an Kindesstatt — eine weitergehende Therapie
ablehnen. In diesem Fall hat aus meiner Sicht der Arzt den Patienten weiter zu
begleiten und die Entscheidung zu respektieren. Mir ist in der eigenen Karriere bis-
her übrigens kein Fall bekannt, in dem wir hier tatsächlich in eine Konfliktsituation
geraten wären.
4. Darf man alles machen, was man kann?
Medizin als Werkzeug — Doping und Enhancement
Zu diesem Thema gibt es viele Aspekte, die von Performance-Verbesserung über
Schönheitsoperationen bis hin zu moralischen, ethischen Fragen im Alltag insbeson-
dere in der Universitätsmedizin führen. Letztendlich steckt dahinter die Frage, ob man
medizinische Erkenntnisse zur Verbesserung von Performance, Aussehen, Leistung etc.
nutzen darf. Wir alle kennen diese Thematik im Zusammenhang mit Doping. Im
Sinne der Steigerung von Aufmerksamkeit, Leistungsbereitschaft und Verbesserung
der kognitiven Fähigkeiten benutzen viele von uns, wenn nicht alle, in der Kaffee-
pause entsprechende Mittel. Ich will diesen Aspekt nicht zu weit treiben, aber die
Grenzen zwischen Therapie und Leistungssteigerung im Sinne eines „Enhancement“
sind fließend. Auch Impfungen sind letztendlich ein Mittel, unsere natürliche Ausstat-
tung zum Umgang mit Infektionen prophylaktisch zu verbessern. Aus dem Spektrum
ethischer Implikationen möchte ich nur zwei Aspekte herausgreifen.
Ein großer Fortschritt, u. a. auch durch die Molekularbiologie gefördert,
war die Möglichkeit, körpereigene Substanzen gentechnisch herzustellen und den