Das WIN-Kolleg
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Kultur noch ein weiterer, eigenständiger epochaler Vergleichspunkt einbezogen
wurde, zum anderen in der methodischen Herausforderung, dass sich die Unter-
suchung ausschließlich auf archäologische Quellen stützen konnte und damit einen
Testfall dafür bot, was sich aus rein archäologischem Material für das Thema der
Raumordnungen ableiten lässt. Vander Beken entwickelt dazu in seiner Arbeit eine
Methode, um aus der Kombination von architektonischer Evidenz (Bauten und —
vereinzelt — Bildschmuck), Ritualhandlungen, wie sie im archäologischen Befund
greifbar sind, und vor allem Überlegungen zur performativen Nutzung baulicher
Anlagen wie Nekropolen oder der großen minoischen Palastanlagen zu einem
Modell zu kommen, wie das Wechselspiel räumlicher Arrangements (in Bauten) und
Praktiken (Rituale und Performanzen, insbesondere Prozessionen) soziale Stratifika-
tion abbildete und zugleich zu reproduzieren half. Dieses Wechselspiel verfolgte
die Arbeit in einer diachronen Synthese von den frühesten Phasen der minoischen
Kultur, wie sie in Tholos- und Hausgräbern greifbar ist, bis zu den verschiedenen
Stadien der minoischen Palastkultur und arbeitet dabei bestimmte Kontinuitäten
heraus. Ein besonderer Schwerpunkt lag dabei auf der Analyse der Bewegungsmu-
ster und phänomenologischen Wirkungen innerhalb der großen Palastanlagen, um so
die reziproke Beziehung von baulicher Anlage, Performanz und Erleben mit der
Herstellung sozialer Ordnung zu ergründen. Die Arbeit mit dem Titel Socializing
Architecture: (Monumental) Architecture and Social Interaction in Minoan Society. With a
Main Focus on the Minoan Palaces in the Neopalatial Period (1700—1450 BC) ist plan-
mäßig im Frühjahr 2012 verteidigt worden und befindet sich derzeit in Überarbei-
tung für die Drucklegung, die 2014 erfolgen wird. Vorab hat Vander Beken Teiler-
gebnisse seiner Untersuchungen in mehreren Aufsatzpublikationen veröffentlicht.
III. Rom
Zu den Charakterzügen der römischen Kultur gehört die auffallende Prominenz von
Grenzmarkierungen und -ritualen und eine hohe Sensibilisierung einschließlich
feindifferenzierter Begrifflichkeit für Bodenstatute,Territorialansprüche und dgl. Für
das Wechselspiel von Norm, Recht und gesellschaftlichen Ordnungsprinzipien lie-
fert Rom damit ein wichtiges Exempel. Das Projekt von John Dillon befasste sich
mit einem Gebiet, in dem diese Merkmale in exemplarischer Weise ausgeprägt sind:
dem Sakralrecht, d.h. hier der rechtlichen Kategorien und zugehörigen Terminolo-
gie für Tempel, Heiligtümer, sakrale Objekte und Land. Ziel war es, die Entstehung
der hochdifferenzierten Kategorien und Terminologie in diesem Bereich in ihrer
historischen Entwicklung in der republikanischen und frühen Prinzipatszeit nach-
zuvollziehen und zu zeigen, dass dieses auf den ersten Blick sehr festgefügte und
archaisch wirkende System sich erst langsam aus sozialer und politischer Praxis her-
aus entwickelte und trotz seines auf den ersten Blick stark normierten Charakters
faktisch sehr flexibel angewandt wurde. Der immer wieder neu auszuhandelnde
Umgang mit Kulten und Heiligtümern in den im Zuge der römischen Expansion
unterworfenen fremden Territorien spielte dabei eine wichtige Rolle, die Dillon
bereits in mehreren Aufsätzen skizziert hat (s.u. die Publikationen). Das Projekt soll
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Kultur noch ein weiterer, eigenständiger epochaler Vergleichspunkt einbezogen
wurde, zum anderen in der methodischen Herausforderung, dass sich die Unter-
suchung ausschließlich auf archäologische Quellen stützen konnte und damit einen
Testfall dafür bot, was sich aus rein archäologischem Material für das Thema der
Raumordnungen ableiten lässt. Vander Beken entwickelt dazu in seiner Arbeit eine
Methode, um aus der Kombination von architektonischer Evidenz (Bauten und —
vereinzelt — Bildschmuck), Ritualhandlungen, wie sie im archäologischen Befund
greifbar sind, und vor allem Überlegungen zur performativen Nutzung baulicher
Anlagen wie Nekropolen oder der großen minoischen Palastanlagen zu einem
Modell zu kommen, wie das Wechselspiel räumlicher Arrangements (in Bauten) und
Praktiken (Rituale und Performanzen, insbesondere Prozessionen) soziale Stratifika-
tion abbildete und zugleich zu reproduzieren half. Dieses Wechselspiel verfolgte
die Arbeit in einer diachronen Synthese von den frühesten Phasen der minoischen
Kultur, wie sie in Tholos- und Hausgräbern greifbar ist, bis zu den verschiedenen
Stadien der minoischen Palastkultur und arbeitet dabei bestimmte Kontinuitäten
heraus. Ein besonderer Schwerpunkt lag dabei auf der Analyse der Bewegungsmu-
ster und phänomenologischen Wirkungen innerhalb der großen Palastanlagen, um so
die reziproke Beziehung von baulicher Anlage, Performanz und Erleben mit der
Herstellung sozialer Ordnung zu ergründen. Die Arbeit mit dem Titel Socializing
Architecture: (Monumental) Architecture and Social Interaction in Minoan Society. With a
Main Focus on the Minoan Palaces in the Neopalatial Period (1700—1450 BC) ist plan-
mäßig im Frühjahr 2012 verteidigt worden und befindet sich derzeit in Überarbei-
tung für die Drucklegung, die 2014 erfolgen wird. Vorab hat Vander Beken Teiler-
gebnisse seiner Untersuchungen in mehreren Aufsatzpublikationen veröffentlicht.
III. Rom
Zu den Charakterzügen der römischen Kultur gehört die auffallende Prominenz von
Grenzmarkierungen und -ritualen und eine hohe Sensibilisierung einschließlich
feindifferenzierter Begrifflichkeit für Bodenstatute,Territorialansprüche und dgl. Für
das Wechselspiel von Norm, Recht und gesellschaftlichen Ordnungsprinzipien lie-
fert Rom damit ein wichtiges Exempel. Das Projekt von John Dillon befasste sich
mit einem Gebiet, in dem diese Merkmale in exemplarischer Weise ausgeprägt sind:
dem Sakralrecht, d.h. hier der rechtlichen Kategorien und zugehörigen Terminolo-
gie für Tempel, Heiligtümer, sakrale Objekte und Land. Ziel war es, die Entstehung
der hochdifferenzierten Kategorien und Terminologie in diesem Bereich in ihrer
historischen Entwicklung in der republikanischen und frühen Prinzipatszeit nach-
zuvollziehen und zu zeigen, dass dieses auf den ersten Blick sehr festgefügte und
archaisch wirkende System sich erst langsam aus sozialer und politischer Praxis her-
aus entwickelte und trotz seines auf den ersten Blick stark normierten Charakters
faktisch sehr flexibel angewandt wurde. Der immer wieder neu auszuhandelnde
Umgang mit Kulten und Heiligtümern in den im Zuge der römischen Expansion
unterworfenen fremden Territorien spielte dabei eine wichtige Rolle, die Dillon
bereits in mehreren Aufsätzen skizziert hat (s.u. die Publikationen). Das Projekt soll