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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Editor]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2000 — 2001

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20. Mai 2000

45

- Herr Zvi Ben Avraham, Professor für Geophysik an der Universität Tel Aviv,
gewählt.
Die in unserenJahrbüchern regelmäßig gedruckten Antrittsreden bieten dem Inter-
essierten zum Lebensweg und zum wissenschaftlichem Werdegang der neu Hinzuge-
wählten ausreichend Information.
Erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang noch ein Wort zu einer Bemerkung des
früheren Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft Wolfgang Frühwald. In
einem Artikel der Süddeutschen Zeitung meinte er, wieder einmal auf das hohe Durch-
schnittsalter der Akademiemitglieder aufmerksam machen zu müssen, und behaupte-
te, in eine Akademie könne man erst gewählt werden, wenn alle Feinde, die man habe,
verstorben seien. Das mag ironisch gemeint gewesen sein; nur ist die Frage, ob die Iro-
nie von den Lesern verstanden wird. Ich setze sie gleichwohl fort, indem ich darauf
hinweise, daß es im Unterschied zum Schicksal von Herrn Frühwald auch die vielen
Glücklichen in den Akademien gibt, deren Feinde samt und sonders bereits so früh
ausstarben, daß sie mit 40 Jahren Mitglied werden konnten. Doch nun ohne jede Iro-
nie und um die Altersdiskussion hoffentlich endgültig zu beenden: In einer Gesell-
schaft, in der nicht nur das Habilitationsalter immer noch sehr hoch liegt, sondern
auch die Lebenserwartung stetig gestiegen ist, müssen die Akademien, die einerseits
auf wissenschaftliche Qualifikation Wert legen, andererseits nicht dem Wahn erlegen
sind, daß dem Menschen mit 65 die fruchtbare Vernunft abhanden komme, in jedem
Fall ein hohes Durchschnittsalter aufweisen. Dieser schlichte Sachverhalt müßte
eigentlich jedermann einleuchten. Und angesichts der Anforderungen, die heute an
herausragende Wissenschaftler nicht nur in ihrem Fach, sondern auch in der Selbst-
verwaltung der Universität und in vielen anderen Zusammenhängen gestellt werden,
ist ebenso selbstverständlich, daß die Beteiligung der Emeriti am Leben einer Akade-
mie intensiver ist als das der andernorts allenthalben geforderten Mitglieder. Univer-
sitätsreformen und -gesetze müßten sich deswegen nicht an dem heute so beliebten
immer Mehr, immer Schneller und immer Effektiver orientieren, sondern ihr höchstes
Ziel darin sehen, den Wissenschaftlern für Forschung und Lehre den größtmöglichen
Freiraum zu schaffen. Dann wäre es auch um die vielverlangte Effektivität erheblich
besser bestellt. Und davon würden nicht zuletzt auch die Akademien profitieren.
Bei meinem Bericht über das hinter uns liegende Jahr orientiere ich mich an den
unterschiedlichen Aufgaben der Akademie.
Dabei steht an erster Stelle das wissenschaftliche Gespräch der Mitglieder über die
Grenzen der Fakultäten hinweg. Den Akademien, die noch im 18. Jahrhundert ihren
Auftrag vornehmlich darin sahen, der Verbesserung gesamtgesellschaftlicher Zustände
zu dienen, wuchs die Aufgabe des interfakultären Gesprächs erst im Lauf des 19. Jahr-
hunderts zu, als sich die Wissenschaftsdisziplinen explosionsartig vermehrten und
auch an den Universitäten die Einheit der Wissenschaft verlorenging. Und im Blick auf
die derzeitige Situation der Wissenschaften ist dieser Auftrag nicht obsolet, sondern
eher dringlicher geworden. Daß in den Diskussionen und Auseinandersetzungen nach
den regelmäßigen Vorträgen der eigentliche Wert der Akademien liegt, ist heute frei-
lich nicht leicht zu vermitteln. Vielleicht zeigt sich darin jene Abwertung des
Gesprächs, die mit den unerträglichen Veranstaltungen, die zutreffend Talkshows
genannt werden, weil sie weder gutes Gespräch noch gute Show bieten, notwendiger-
weise einhergeht. Denn auch dort, wo man anderes erwarten dürfte, erhält man, wenn
man auf das interfakultäre Gespräch als vornehmste Aufgabe der Akademien der Wis-
 
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