Metadaten

Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2000 — 2001

Zitierlink: 
https://digi.hadw-bw.de/view/jbhadw2000/0045
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten

DWork-Logo
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
56

Jahresfeier

aber auch in der internationalen Zusammenarbeit zu einem Großprojekt geführt,
dessen vorläufiger Abschluß fast erreicht ist, die wesentlichen Grunddaten unseres
Erbgutes liegen bereits jetzt vor. Die Feinanalyse wird allerdings wohl noch zwei bis
drei weitere Jahre erfordern. Genetisch werden wir damit „durchsichtig“, ob sich jetzt
viele oder einzelne der früher geäußerten Befürchtungen als richtig erweisen, wird
bereits die nahe Zukunft zeigen können. Für unsere heutige Betrachtung wollen wir
allein die Frage untersuchen, ob die Ergebnisse der Genomforschung auch zum Ver-
ständnis der Entwicklung des Lebens und zu unserer eigenen Entwicklungsgeschichte
beitragen.
Am 24. März dieses Jahres veröffentlichte das Wissenschaftsjournal SCIENCE die
Bausteinfolge des Erbmaterials der Fruchtfliege Drosophila. Insgesamt sind 125 Mil-
lionen der insgesamt 180 Millionen Basenpaare analysiert worden. Diese 125 Millio-
nen enthalten allerdings die überwiegende Mehrzahl aller Gene, da sie das sogenannte
Euchromatin repräsentieren, das als aktiver Genbereich identifiziert ist. Ein verhält-
nismäßig großes - im wesentlichen LJS-amerikanisches - Wissenschaftler-Konsortium
hat hier in einem engen Zeitrahmen von nur wenigen Monaten die bisher komplexe-
ste Sequenz analysiert. Ein Triumph, der nach der Sequenzierung des Erbmaterials
einer Reihe von Einzellern, vorwiegend Bakterien wie vom Lungenentzündungserre-
ger Haemophilus influenzae, vom Verursacher von Magengeschwüren, Helicobacter
pylori, und vom weit verbreiteten Darmbakterium Escherichia coli, aber auch vom
Malaria-Erreger Plasmodium falciparum, als Konsequenz der rasch fortschreitenden
Entwicklung zustande kam.
Bereits im Jahre 1997 war durch ein europäisches Wissenschaftler-Konsortium,
diesmal unter deutlicher Beteiligung deutscher und gerade auch Heidelberger Fach-
vertreter, das Erbgut der Bierhefe entschlüsselt worden. Im Jahre 1998 folgte als erster
Vielzeller der Fadenwurm Caenorhabditis elegans. Das Jahr 2000 krönt diese
Bemühungen mit der Bestimmung des Erbgutes des Euchromatins von Drosophila
und der Erstellung der Rohdaten des menschlichen Genoms.
Die bisher vorliegenden Ergebnisse haben manche Überraschung gebracht und
gleichzeitig schon jetzt viel Licht auf die Entwicklungsgeschichte des Lebens gewor-
fen: Nicht unerwartet steigt die Zahl der Gene bei Vielzellern imVergleich zu Einzel-
lern und insbesondere gegenüber Viren an. So besitzen einfache Viren, etwa unsere
Warzenviren, 8-10 Gene, das Bakterium Haemophilus influenzae weist bereits 1709
Gene auf, die Bierhefe hat dann schon 6241 Gene. Überraschend ist allerdings, daß
der wesentlich einfacher strukturierte Fadenwurm, der mit 97 Millionen Bausteinen
auch deutlich weniger Basenpaare in seinem Erbgut aufweist als die komplexere
Fruchtfliege Drosophila und mit 18.424 identifizierten Genen die Zahl der jetzt
bekannten 13.601 Gene bei Drosophila deutlich übertrifft. Damit hat die Fruchtfliege
als komplexer Vielzeller nur etwa doppelt soviele Gene wie die einzellige Bierhefe. Die
bisher für den Menschen vorliegenden Befunde deuten auf eine Gesamtzahl von
annähernd 40.000 Genen.
Für die Entwicklungsgeschichte wichtiger ist die Zahl der Übereinstimmungen von
Genen - etwa der Bierhefe mit dem Fadenwurm, der Fruchtfliege mit denen des Men-
schen. Etwa 30 % aller Gene der Fruchtfliege liegen in fast identischer Form im Faden-
wurm vor. Weitere 20 % sind zwischen diesen Spezies sehr nahe miteinander ver-
wandt. Auch von den bisher identifizierten menschlichen Genen zeigen fast 50 %
große strukturelle Übereinstimmungen mit den Genen der Fruchtfliege, eine Reihe
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften