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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2000 — 2001

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Jahresfeier

keitswert der gesetzlichen Regelung steht außer Frage. Und auch praktische Gründe
zwingen kaum zu deren Überwindung.
Abgeschlossen werden die vertretungsrechtlichen Untersuchungen mit einer Neu-
deutung der Haftung des Vertreters bei fehlender Vertretungsmacht (§ 179 BGB).
Kannte der Vertreter den Legitimationsmangel, muß er nach dem Gesetz selbst für die
Erfüllung des Geschäfts einstehen, obwohl er mit dem Handeln in fremdem Namen
unzweideutig klar gemacht hatte, daß er nicht selbst Vertragspartner werden will. Es
wird dargetan, daß die Grundlage dieser bis zum Schluß der Gesetzgebungsarbeiten
hoch umstrittenen Regel eine eigene Leistungszusage des Vertreters bildet, für die man
heute zwar den Blick verloren hat, die historisch jedoch schon immer wirksam war
und die klar hervortritt, sobald man den Bedeutungsgehalt der Erklärungen beim
Abschluß eines Vertretergeschäfts genauer analysiert. Mit der Behauptung, Vertre-
tungsmacht zu besitzen, verspricht der Vertreter für den Fall des Geschäftsschlusses
den Vertrag mit dem Vertretenen als eigene Leistung: Er sagt dem Partner zu, ihm kraft
seiner Legitimation das mit dem Dritten gewünschte Rechtsgeschäft unmittelbar ver-
schaffen zu können. Die Nichterfüllung dieser Zusage legitimiert die besondere Ein-
standspflicht nach § 179 Abs. 1 BGB. Indem der Vertreter selbst Vertragsschuldner
wird, leistet er Ersatz dafür, daß er den Vertrag mit dem Vertretenen nicht zustande
gebracht hat.
Das abschließende 4. Kapitel der Arbeit versucht einen neuen Lösungsvorschlag für
die insbes. etwa mit der Schwarzfahrt verbundene Problematik der sog. „faktischen
Vertragsverhältnisse“ und des „sozialtypischen Verhaltens“. Auf willenstheoretischer
Grundlage scheidet im Beispielsfall der Schwarzfahrt die Annahme eines Vertrags-
schlusses aus. Zahlungsansprüche können folglich allein dem gesetzlichen Schuldrecht
entspringen, d.h. v. a. dem Schadensersatz oder dem Bereicherungsrecht. Nach her-
kömmlicher Sicht fehlt es bei der unbefugten Inanspruchnahme fremder Leistungen
jedoch häufig an einem Schaden wie auch an einer Bereicherung. Der von dem
schwarzen Passagier in Anspruch genommene Platz wäre ohnehin nicht verkauft wor-
den, und der Schwarzfahrer hat auch nichts erspart, weil er die Fahrt gegen Geld nicht
unternommen hätte. Es stellt sich damit die Frage nach einem außervertraglichen scha-
dens- wie bereicherungsunabhängigen Zahlungsanspruch des Verletzten. Die Über-
prüfung der wichtigsten Lösungsansätze in Rspr. und Literatur führt zunächst zu
deren Verwerfung. Sie laufen regelmäßig darauf hinaus, die konstitutive Vorausset-
zung des jeweils bemühten gesetzlichen Haftungssystems zu eliminieren. Es wird
Schadensersatz trotz des Fehlens eines Schadens gewährt oder ein Bereicherungsan-
spruch ohne Bereicherung. Die im Anschluß daran entwickelte eigene Lösung geht
davon aus, daß die Problematik entgegen der gängigen Ansätze nicht innerhalb dieser
Haftungssysteme zu lösen ist, sondern auf einer vorgelagerten Ebene: der Ebene der
durch diese Haftungssysteme geschützten subjektiven Rechte. Nur was hiernach den
einzelnen von Rechts wegen zukommt, wird durch die gesetzlichen Rechtsschutzsy-
steme auch haftungsmäßig nachvollzogen. Ein Schadensersatzanspruch i. H. d. gelten-
den Tarifs läßt sich folglich bei der Schwarzfahrt unabhängig davon, ob der bean-
spruchte Platz hätte verkauft werden können, nur dann systemkonform begründen,
wenn der Schwarzfahrer dem Leistungsträger von Rechts wegen verpflichtet war, vor
der Inanspruchnahme der Leistung einen entsprechenden Vertrag zu schließen. Der zu
ersetzende Schaden besteht dann darin, daß dem Leistungsträger der aufgrund seines
Rechts zu beanspruchende Kontrakt entgangen ist, weil der Schuldner dem korre-
 
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