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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2000 — 2001

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22. Juli 2000

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autobiographisch sei, dies natürlich stets kategorisch verneinte. Der Roman wurde
dann auch noch für das Fernsehen verfilmt, und es sagt einiges über die Qualität die-
ses Films, daß er einer der ganz wenigen ist, die das ZDF niemals zu wiederholen
wagte.
Daß Würzburg mir so trostlos vorkam, lag wohl hauptsächlich daran, daß nach der
Studienzeit und dem hedonistischen Exil in Schottland nun unabweisbar der Ernst des
Lebens angebrochen war. Es lag ganz sicher nicht an Werner Habicht, dessen Assistent
ich war und dem ich vor allem dankbar bin für die großen Freiräume, die er mir stets
gewährte.
Nachdem noch ein Roman geschrieben, die Würzburger Tristesse einigermaßen
überwunden und der Zeitvorrat meiner Assistentenstelle allerdings auch schon fast
zur Hälfte verbraucht war, machte ich mich endlich ernsthaft ans Habilitieren. Und
erst von diesem Zeitpunkt an gelang es mir, mich als so etwas wie einen Wissenschaft-
ler zu begreifen - nicht ohne gelegentliche Rückfälle bis in die jüngste Vergangenheit.
Das Thema meiner Arbeit, Parodie und literarischer Wandel, steht im größeren
Zusammenhang einer Genealogie der literarischen Moderne. Die Parodie, traditionell
als inferiores, ein wenig anrüchiges Phänomen am Rande des literarischen Formenka-
nons situiert, greift in der Avantgarde des 20. Jh. geradezu epidemisch um sich, bei
Joyce, T. S. Eliot, ganz zu schweigen von der sogenannten Postmoderne. An drei Figu-
ren des englischen fin de siede, Swinburne, Oscar Wilde und Max Beerbohm, und
ihrem Umgang mit Parodie versuchte ich, die Ursprünge und Modalitäten dieses
Struktur- und Funktionswandels zu erhellen.
Mitte der achtziger Jahre war die Stellensituation in der Anglistik ziemlich desolat.
Statistisch gesehen, schien der frischgebackene Privatdozent zur Arbeitslosigkeit ver-
dammt, und ich begann schon insgeheim darauf zu spekulieren, nun vielleicht doch
noch - notgedrungen - zur Schriftstellerei zu gelangen. Dennoch bewarb ich mich um
ein Heisenberg-Stipendium, das ich dann auch erhielt, obwohl mich bei der Lektüre
der Bewerbungsunterlagen fast schon der Mut verlassen hatte: Was den Stipendienge-
bern ja offenbar vorschwebte, war ein Kandidat, der einerseits dem Gymnasium kaum
entwachsen sein, andererseits in seiner Wissenschaft aber schon mindestens einen veri-
tablen Paradigmenwechsel verursacht haben sollte. Ich hatte das Glück, das Stipen-
dium gar nicht erst anbrechen zu müssen, da ich, von einer Gastdozentur in den USA
zurückgekehrt, unverhofft das Angebot erhielt, an der Münchner Universität eine
Professur für Theaterwissenschaft zu vertreten, auf die ich ein Jahr später dann auch
berufen wurde. Meine Verwunderung darüber, daß man mich für verwendbar hielt in
einer Disziplin, die ich nur im Nebenfach studiert hatte, wich bald der Erkenntnis, daß
meine beiden Kollegen nicht einmal dies hatten, sondern, wie früher allgemein üblich,
als Germanisten theaterwissenschaftliche Autodidakten waren. Der Umstieg von der
Philologie in die Theaterwissenschaft bedeutete Rückkehr zu Shakespeare, insbeson-
dere zum inszenierten Shakespeare. Er bedeutete einerseits Einschränkung des Gat-
tungsspektrums, andererseits komparatistische Horizonterweiterung über den anglo-
amerikanischen Bereich hinaus, wie auch em Ausgreifen über die sprachlichen Zeichen
des Textes auf die Sprache der Bilder und Gesten, schließlich auch noch auf den Film.
Ich habe mich in diesem neuen Aufgabengebiet außerordentlich wohlgefühlt, dennoch
aber nicht gezögert, vor acht Jahren dem Ruf nach Heidelberg und damit wieder in
mein angestammtes Fach zu folgen. Mein gegenwärtiges Hauptinteresse liegt bei Sha-
kespeare in kulturellen und medialen Kontexten der frühen Neuzeit; es richtet sich auf
 
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