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Heidelberger Akademie der Wissenschaften [Hrsg.]
Jahrbuch ... / Heidelberger Akademie der Wissenschaften: Jahrbuch 2000 — 2001

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22. Juli 2000

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konnte nunmehr diesen Zwischenhandel umgehen. Für die Zeit seit der Mitte des 2.
Jh. v. C. lässt sich eine verstärkte nautische Aktivität der Griechen am Südausgang des
Roten Meeres beobachten, die u. a. zur Entdeckung der Insel Soqotra führte, und um
110 v.C. sind zwei Fahrten über den Indischen Ozean im Auftrag der ptolemäischen
Verwaltung bezeugt, ferner etwas später die Reorganisation der ägyptischen Provinz
am Roten Meer, neue Häfen an dessen Küste und der Ausbau der Karawanenstrassen
von diesen Häfen zum Nil.
Die Einbeziehung Ägyptens in das Römerreich i. J. 31 v. C. belebte den ägyptisch-
indischen Direkthandel, an dem sich auch Unternehmer lateinischer Sprache beteilig-
ten. Schon für die Zeit des Augustus sind Fahrten bis in den Golf von Bengalen
bezeugt, also die Erschliessung der gesamten Küste Indiens, deren Teilstrecken in der
Naturalis Historia des Älteren Plinius aufgelistet sind. Ein Schifferhandbuch des 1. Jh.
n. C. beschreibt die drei wichtigsten Routen vom Bab el Mandeb zur Indusmündung,
in die Gegend des heutigen Bombay und, als wichtigste, an die Malabarküste. Es gibt
auch einen Überblick über die Hafenplätze des gesamten Seegebietes sowie die Waren
des Importes und Exportes. Inschriften und Papyri belehren über Organisation und
Finanzierung des Warentransportes, erst zur See, dann zu Land an den Nil und
schliesslich nilabwärts bis nach Alexandrien. Die Insel Soqotra hatte im 1. Jh. n. C.
eine aus Arabern, Griechen und Indern gemischte Bevölkerung. Eine kürzlich veröf-
fentlichte Papyrusurkunde des 2. Jh. n. C., vermutlich die Zweitschrift eines in Muzi-
ris an der Malabarküste aufgesetzten Originals, gibt Einblick in Art und Umfang einer
grossen Schiffsladung. Ältere Tamil-Texte wissen von Griechen zu berichten, von ihrer
Kriegstüchtigkeit und von importiertem griechischem Wein. Eine Steuerakte bezeugt
den langfristigen Indienaufenthalt eines ägyptischen Griechen im 1. Jh. n. C., und
sogar ein Indientourismus ist für das 2. Jh. n. C. belegt. Die Fahrt führte über den
Ozean, wie der Rückweg einer der indischen Gesandtschaften an den Kaiserhof in
Rom. Umfangreiche, freilich fast ganz auf den Süden des Landes beschränkte Funde
kaiserzeitlicher Münzen, Handelskolonien an der Koromandelküste und in Ceylon
sowie Warendepots an der Somaliküste endlich liefern archäologische Zeugnisse die-
ses Handelverkehrs. Er blühte vom 1. Jh. v. C. bis gegen Ende des 2. Jh. n. C., erlebte
im 3. Jh. n. C. einen tiefen Einbruch und belebte sich wieder im 4. Jh. n. C.
Im 2. Jh. n. C. gelang es griechischen Seefahrern, sogar in die hinterindischen
Gewässer vorzustossen und Anschluss an den chinesischen Handel zu gewinnen.
Fundstücke aus der Zeit der Antoninen im Mekong-Delta bestätigen diesen Ausgriff.
Für das Jahr 166 n. C. werden die ersten, aus dem Süden eingereisten Besucher aus dem
Römerreich am Hof von LoYang registriert, die sich über die Blockade des Landweges
durch die Parther beklagten, und kurz danach liest man in der griechischen Literatur
das erste Mal die zutreffende Beschreibung der Produktion chinesischer Seide, damals
schon seit langem ein begehrter und bekannter Luxusartikel.
Die griechisch-römische Gesellschaft muss in der hohen Kaiserzeit sehr reichlich
über Informationen aus Indien, insbesondere aus dem Süden, dem bevorzugten Ziel-
gebiet des Seehandels, verfügt haben. Dafür sprechen die erwähnten Zeugnisse, die
sämtlich nicht aus der Literatur im strengen, von der antiken Theorie vorgegebenen
Sinn stammen. Das auf Papyrus erhaltene Fragment eines Mimus, eines unseren
Unterhaltungsfilmen vergleichbaren Bühnenstückes, handelt von den Abenteuern
eines Liebespaares am Hof eines indischen Radja. Indologen wollen darin Wörter in
verballhorntem Tamil erkannt haben.
 
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